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Die Runen der Macht - Der verfluchte Prinz (German Edition)

Die Runen der Macht - Der verfluchte Prinz (German Edition)

Titel: Die Runen der Macht - Der verfluchte Prinz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Ballantine
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kann das nicht tun, Sorcha.«
    Ihr Partner hüstelte ein bisschen und verschwand um die Ecke. Sie berührte das Gesicht des Prätendenten und zeichnete mit dem Daumen die Umrisse seiner Lippen nach. Er küsste ihre Fingerspitzen, und es durchrieselte Sorcha. Ein schöner Mann, selbst in diesem ernsten Moment; sie konnte nicht anders, als auf ihn zu reagieren. »Du hast dein Leben in meine Hände gelegt, Raed – jetzt lege ich meines in deine. Ich vertraue dir auch, weißt du.«
    Der Prätendent zog sie an sich und küsste sie. »Ich werde dich nicht enttäuschen«, flüsterte er an ihren Lippen.
    Er war es, der den Esel und den Karren für sie in der stillen Abdeckerei fand und das arme Geschöpf befreite. Die Abtei lag in der letzten, tiefsten Windung der Stadt; nur eine Meile von den Toren der Burg entfernt, war sie doch eine Welt für sich. Sie hatte keine Verteidigungsanlagen wie die Residenz des Kaisers. Sie brauchte keine. Trotzdem stand ein Laiengeistlicher Wache. Raed zog die Kapuze über, schmierte sich Schmutz ins Gesicht und verbarg seinen Säbel auf dem kleinen Karren im Heu.
    Sorcha und Merrick bereiteten sich unterdessen vor. Sie nahm die Handschuhe aus dem Gürtel, schob sie sich in ihr Hemd und zog den Gürtel fest. Ihr Partner dagegen hielt seinen Riemen in der Hand. In den tief eingeschnittenen Runen flackerte es bereits.
    Sie wusste, was er empfand, nicht nur weil ihre Gefühle in eine ähnliche Richtung gingen, sondern weil seine Emotionen in ihren widerhallten.
Ich habe Angst. Bei den Knochen.
    Ihre Kehle war wie zugeschnürt. Die weißen Mauern um die Abtei hatten früher einmal Schutz geboten, doch jetzt schienen sie denen des Klosters in Ulrich zu gleichen, die sie hatte durchbrechen müssen. Jeder dort drin musste als Feind gelten – zumindest bis sie und Merrick Hastler alles erklären konnten.
    »Müssen wir das wirklich tun, Sorcha?«, flüsterte Raed. Sie verstand, was unausgesprochen blieb.
Muss ich dir das wirklich antun?
    Ihr Nacken verspannte sich, und es schien, als hätte sie einen Hieb in den Magen bekommen. »Ja … wenn das Konklave auf uns Jagd zu machen beginnt, haben wir keine andere Wahl. Wir müssen den Erzabt sprechen – nur er hat genug Einfluss, um diese Sache in Ordnung zu bringen.« Sie sah in seine haselnussbraunen Augen und gestand: »Und ich brauche dich, damit du mir hilfst.« Das Wort »brauchen« war in ihrem Wortschatz bisher kaum vorgekommen.
    Raed nickte, aber seine Stimme war rau. »Beim Blut. Das kommt mir alles falsch vor.«
    »Die ganze Sache ist falsch gewesen.« Sie küsste seine Handfläche. »Bis auf dich.«
    Merrick hüstelte. »Wir sollten es besser hinter uns bringen, bevor ich völlig den Mut verliere.«
    »Natürlich.« Sorcha nickte und kletterte ins Stroh auf dem Karren. Merrick setzte sich neben sie. Er sah jung, verletzlich und verängstigt aus – doch er war mehr als das.
    Sorcha musterte ihn und ließ sich weder Furcht noch Zweifel anmerken. »Ich vertraue nicht nur Raed, müsst Ihr wissen.«
    »Aber ich kenne das nur aus Büchern«, erwiderte er leise und betrachtete den Riemen in seinen Händen. »Ich kann mir nicht sicher sein …«
    »Doch, das könnt Ihr.«
    Die Verbindung zwischen ihm und ihr klang auf ganzer Länge vor beider Entschlossenheit, wuchs und verstärkte sich wie ein endloser Knoten. Dies war der Gipfel der Partnerschaft, die Art von Stärke, die sie mit Kolya nie verspürt hatte. Merrick brachte ihr nach zwei Wochen ein umfänglicheres Vertrauen entgegen, als ihr Ehemann es in all den Jahren getan hatte. Mit einem kleinen Lächeln packte Sorcha sich ins Stroh.
    Merrick legte den Riemen an, band ihn schnell um die Augen und beschwor die Rune der Sicht. Durch ihre Verbindung wurde die Welt schöner, als sie es je für möglich gehalten hätte; das kreisende Rad der Sterne über Sorcha loderte wie tausend bunte Feuerwerke. Die stille Straße füllte sich mit dem Sirenengesang ferner Glocken, der zu dieser Stunde gewiss nicht real war. Der Geruch von Geißblatt und Jasmin durchströmte ihr Gehirn und war das Letzte, was sie bewusst wahrnahm.
    Merrick griff nach seiner Macht und zog Sorcha mit sich in die Anderwelt.
    Raed spürte sein Herz rasen, als die Herzen der Diakone aufhörten zu schlagen. Merrick war unelegant gefallen, aber Sorcha hatte – wie immer – das Heft in die Hand genommen und bestimmt, wie sie lag. Die Hände ruhten leicht auf ihren Schenkeln, und der Kopf war sanft nach oben geneigt, dem Himmel

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