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Die Runen der Macht - Der verfluchte Prinz (German Edition)

Die Runen der Macht - Der verfluchte Prinz (German Edition)

Titel: Die Runen der Macht - Der verfluchte Prinz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Ballantine
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zugewandt. Ihre Züge waren weich, und es stand ein mildes Lächeln darin, als wäre sie in seinen Armen eingeschlafen. Der Riemen über den Augen ihres Partners hatte sich verdunkelt. Raed nahm ihn mit spitzen Fingern ab, schob ihn sich in den Beutel und schloss dem jungen Mann die Augen. Merrick sah jetzt noch jünger aus – beinahe wie ein Kind. Raed breitete Sorchas Umhang über die beiden. So ließ sich einfacher tun, als wäre etwas anderes im Karren.
    Er stieß einen rauen Atemzug aus. »Wie seltsam – jetzt darf ich das Kopfgeld eines anderen kassieren.«
    Während er den Esel zu den Toren der Mutterabtei führte, kam er sich vor wie in einem unheimlichen Albtraum gefangen; er schritt auf die Einrichtung zu, die nicht nur seinen Feind unterstützte, sondern auch den Mann seiner Geliebten beherbergte: zwei Gründe, die ihn in Gegenrichtung hätten eilen lassen sollen. Da er gegenwärtig jedoch der einzig Lebende von ihnen dreien war, wäre das mehr als unhöflich gewesen.
    Beim Geräusch der sich nähernden Hufe schüttelte der Wachtposten den Schlaf ab. »Wer da?« Der Mann mochte ein Laienbruder sein, aber er war gebaut wie ein Preisboxer, und sein Speer war lang genug, um zwanzig Prätendenten aufzuspießen. Trotz ihres anderweltlichen Schutzes pflegte die Mutterabtei eine wehrhafte Fassade. Ein schneller Blick nach oben zeigte, dass sich dort, wo der Posten herkam, viele weitere Wächter aufhielten. Raed erhaschte einen Blick auf eine andere Mauerpatrouille. Bei der Anzahl von Sensiblen, die in dem Komplex lebten, schien das stark übertrieben zu sein. Nur dass – und der Prätendent spürte, wie ihm die Kehle eng wurde – der Wachmann, der auf ihn zukam, einen grünen Umhang trug. Er war ein Sensibler.
    Der Rossin war jetzt sehr tief begraben, so tief, dass nicht einmal Raed ihn spürte. Sofern der Junge Prätendent nichts tat, was den Argwohn des Wachtpostens erregte und ihn dazu veranlasste, mit einer Rune der Sicht genauer hinzuschauen, mochte es wirklich funktionieren.
    Raed holte Luft, setzte seinen allerbesten südlichen Akzent auf und hielt eines der gefürchteten Fahndungsplakate hoch. »Seid Ihr der mit der Belohnung?«
    Der Wachmann legte die Stirn in Falten. »Nicht ich persönlich, aber die Mutterabtei sucht tatsächlich nach den beiden abtrünnigen …«
    »Dann könnt Ihr aufhören zu suchen.« Raed schlug den dunkelblauen Umhang zurück und enthüllte die reglosen Gestalten.
    Als der Wachmann fluchte, erinnerte der Prätendent sich an Sorchas Bemerkungen über das schlechte Benehmen der Ordensmitglieder. Gut, dass die Situation so ernst war, denn sonst hätte er gelacht; ihm war jedoch nicht fröhlich zumute, als er sah, wie der kräftige Soldat auf die beiden erkaltenden Gestalten hinabschaute.
    »Alle beide!« Der Posten verzog anerkennend den Mund. »Wie habt Ihr das geschafft?«
    »Auf die bewährte Weise.« Er zuckte die Achseln. »Durch Gift. Ich habe ein Gasthaus an der Straße nach Süden, und als ich die Belohnung sah« – er schniefte laut –, »habe ich die Gelegenheit genutzt, den anderen zuvorzukommen.«
    Der Wachmann lachte. »Gute Idee – das mit der Belohnung wurde erst heute Morgen plakatiert, aber die Leute haben uns schon die Bude eingerannt, um ›Informationen‹ anzubieten. Das könnte das am schnellsten ausgezahlte Kopfgeld in der Geschichte des Ordens sein.« Er machte Anstalten, nach dem Zügel des Esels zu greifen. »Ich bringe das mal eben zum Presbyter von …«
    Beklommen schnellte Raed vor. »Moment mal! Ich lasse die beiden nicht aus den Augen … zumindest nicht, bis mir jemand gutes Gold in die Hand gedrückt hat.«
    Der Posten funkelte ihn an. »Wollt Ihr sagen, Ihr könnt mir nicht trauen, Freund?« Seine Stimme klang alles andere als freundlich.
    Manchmal galt es, leutselig zu sein, manchmal, standhaft zu bleiben – so wie jetzt. Raed hatte eine recht klare Vorstellung von der Rolle, die er spielen sollte, und seine Figur würde es nicht zulassen, dass ein anderer seine Belohnung kassierte … schon gar nicht, wenn es um so viel Geld ging. »Vertrauen ist eine Sache, ›Freund‹, aber wenn Gold im Spiel ist, würde ich nicht mal meinem Bruder trauen.«
    Er hielt dem scharfen Blick des Wachmanns stand, als wären sie zwei Hunde, die abschätzten, wie viele Zähne der andere hat. Schließlich gab der Posten nach. Schnaubend warf er den Umhang wieder über die Leichen. »Also schön.« Er deutete auf die Abtei. »Folgt dem Pfad, bis Ihr auf der

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