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Die Runen der Macht - Der verfluchte Prinz (German Edition)

Die Runen der Macht - Der verfluchte Prinz (German Edition)

Titel: Die Runen der Macht - Der verfluchte Prinz (German Edition)
Autoren: Philippa Ballantine
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hell, wurde offenbar. Nichts entging Merricks Aufmerksamkeit.
    Endlich war er zufriedengestellt. Er hatte seine Pflicht getan und den Teil der Straßen überprüft, der ihm zugewiesen worden war. Es wurde ohnehin Zeit für die Rückkehr.
    Beim Überqueren der Abschiedsbrücke hielt Merrick kurz inne. So früh am Tag war die Hauptstadt wunderschön. Die Sonne glänzte auf den eisbedeckten Kanälen und wurde vom Schnee auf den Dächern reflektiert. Er liebte die unzähligen Brücken, die ins Zentrum führten, konnte aber nur die Hälfte von ihnen beim Namen nennen. Diese Stadt war jetzt sein Zuhause, und heute würde er das bestätigen. Der junge Diakon schritt entschlossen aus.
    Sein Weg führte ihn durchs Kaufmannsquartier, das vor lauter Wagen, Karren und Verkaufsständen schier aus den Nähten platzte. Die Düfte exotischer Gewürze wetteiferten mit dem Gestank von Pferd und Mensch. Er wich feilschenden Händlern und Kesselflickern aus und warf einen Schilling in die schmuddelige Hand eines winzigen Mädchens, das elendig neben einem Stapel Kartons saß.
    Sie konnte sich glücklich schätzen, wenn sie den Winter überlebte. Als sie zu dem jungen Diakon aufschaute, drückte er ihre Finger fest um das Silber. »In der Abtei gibt es mittags eine kostenlose Mahlzeit, Kleine.«
    Sie versuchte aufzustehen, und er merkte, dass sie es nicht allein schaffen würde. Also legte er sich ihre winzigen Vogelfinger um den Hals und trug sie. Stumm ließ das Mädchen den Kopf auf seine Schulter fallen und seufzte.
    Höchstwahrscheinlich würde Presbyter Rictun ein ungebührliches Verhalten darin sehen, dass ein Diakon ein verdrecktes Waisenkind ins Herz des Reichs trug, aber Merrick wusste um den wahren Sinn des Ordens, selbst wenn seine Vorgesetzten ihn vergessen hatten.
    Zusammen durchquerten Diakon und Kind die Granittore und betraten den großen Platz im Herzen von Vermillion.
    Die Häuser hier waren prächtig und gehörten den Familien des höchsten Adels; jenen, die es sich leisten konnten, in der Nähe des Kaisers zu leben. Kutschen mit prächtig gekleideten Herren und Damen rumpelten vorbei, und der geschärfte Geruchssinn des Sensiblen fing abwechselnd Wellen von Parfüm und Perückenpuder auf. Diese baumbestandenen Straßen waren viel stiller und eleganter als die weniger gesunden Teile der Stadt. Doch obwohl Merrick als Aristokrat aufgewachsen war, fand er sie erdrückend und viel zu prätentiös.
    Er eilte durch diese Viertel, bis der Boden langsam zum Palast und zur Abtei anstieg, beschleunigte seinen Schritt noch mehr und sprach tröstend auf das kleine Mädchen ein.
    Gleich hinter den Toren der Abtei begab er sich zur Jugendpresbyterin Melisande Troupe und überantwortete das Straßenkind ihrer sanften Obhut. Erst dann eilte er die Treppe hinauf in seine Zelle, um sich vorzubereiten.
    Sie war eine von vielen schmalen Räumen im Dormitorium mit nur einem kleinen Bett und einer Kommode aus Kiefernholz. Obwohl die Ordensmitglieder nur wenig Besitz hatten, war sie übersät mit winzigen Zahnrädern und Werkzeugen. Merrick war schon immer fasziniert gewesen von Mechanik und hatte als Kind davon geträumt, Lehrling eines Mechanikers zu werden – also bis zum Tod seines Vaters.
    Jetzt schob er dieses kleine Projekt beiseite. Heute begann sein neuer Traum.
    Nachdem er sich Gesicht und Hals gewaschen und das Haar gekämmt hatte, wischte sich Diakon Merrick Chambers die Hände an seiner Tunika ab – zum fünften Mal binnen fünf Minuten, wie es ihm vorkam. Dann verließ er sein Zimmer.
    Trotz der Jahreszeit schwitzte er wie im Hochsommer. Sein kleiner Auftrag hatte diesen Moment hinausgezögert, aber jetzt kehrten Anspannung und Entsetzen mit aller Macht zurück. Der Grund dafür war seine neue Partnerin, der er zu gehorchen hatte. Einmal war er ihr bisher als Erwachsener begegnet, und da hatte seine Zunge am Gaumen geklebt, obwohl Sprachlosigkeit für den jungen Diakon untypisch war.
    Während er sein Rangabzeichen zurechtrückte und sich auf ihre zweite Begegnung vorbereitete, erinnerte er sich an ihre scharfen blauen Augen. Die berühmteste Aktive im Orden wäre sehr geeignet, um sich in sie zu verlieben – schön, mächtig und unnahbar –, aber für Merrick stand das nicht zur Debatte. Diakonin Sorcha Faris jagte ihm eine Heidenangst ein.
    Im Gegensatz zu vielen ihrer Kollegen hatte Merrick dem vollen Einsatz ihrer Macht beigewohnt. Er war außerdem einer der wenigen, die diese Erfahrung überlebt hatten. Normalerweise
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