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Die Runen der Macht - Der verfluchte Prinz (German Edition)

Die Runen der Macht - Der verfluchte Prinz (German Edition)

Titel: Die Runen der Macht - Der verfluchte Prinz (German Edition)
Autoren: Philippa Ballantine
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vermochte er jene Nacht zu verdrängen, aber als er nun im Spiegel oben an der Treppe seine Uniform begutachtete, gelang ihm das nicht. Die Narben waren immer noch im alten Gemäuer der Burg seiner Familie zu erkennen. Wo sein Vater am oberen Absatz der großen Treppe gestorben war, prangten fünf lange Furchen.
    »Und jetzt ist sie deine neue Partnerin.« Merrick holte tief Luft. Sie konnte es nicht wissen; er hatte dafür gesorgt, dass die Abtei seinen wahren Namen nicht herausfand, und es war unwahrscheinlich, dass sie ihn erkannte. Er war erst sieben gewesen und der aufbrausenden jungen Diakonin nicht vorgestellt worden, die gekommen war, um seinen Vater zu prüfen. Aber von oben hatte er alles aus einem Versteck mit angesehen.
    Während Merrick die Wendeltreppe hinunterging, übte er sich darin, sein Zentrum still zu halten. Solange er das tat, war Diakonin Faris als Sensible zu schwach, um schweifende Gedanken aufzufangen. Ihre Partnerschaft würde wahrscheinlich nicht lange genug dauern, um eine tiefe Art der Verbindung zu entwickeln.
    Der Erzabt und Yvril Mournling, der Presbyter der Sensiblen, erwarteten ihn im Kapitelhaus. Während seiner Ausbildung hatte Merrick den Erzabt nur selten zu Gesicht bekommen, aber viele Stunden unter den strengen grauen Augen von Presbyter Mournling verbracht. Obwohl der ältere Mann ein Mitglied des Presbyter-Rats war, nahm er sich Zeit, die fortgeschrittenen Klassen der Sensiblen zu unterrichten. Beim Anblick des jungen Diakons, des neuesten Ordensmitglieds, verzogen sich seine Mundwinkel zum denkbar schwächsten Lächeln. Erzabt Hastler hielt eine lange Holzschachtel in der runzligen Hand. Aktive hatten ihre Handschuhe, aber die Sensiblen besaßen auch ihre Spielzeuge. Hastler öffnete den Behälter.
    »Benennt sie und kontrolliert sie.« Er sprach die Worte der letzten Prüfung.
    Merrick schluckte vernehmlich, obwohl er die Litanei des Sehens viele hundert Mal wiederholt hatte. Er hielt eine Hand über die Schachtel und ihren Inhalt.
    Sielu, ich sehe durch die Augen eines anderen.
    Aiemm, die Vergangenheit ist wirklich.
    Masa, die Zukunft ist ein Rätsel.
    Kebenar, ich bin offen für die Wahrheit aller Dinge.
    Kolar, diese Seele hat Flügel.
    Mennyt, kein Pfad ist versperrt, nicht einmal der zur Anderwelt.
    Ticat, der unausgesprochene Name, der Zweck im Schatten.
    Merrick blickte auf. Der Name der letzten Rune wurde nur unter Sensiblen ausgesprochen, und er stolperte noch immer über diesen Vers.
    Aber Presbyter Mournling nickte nur und sprach die Worte, nach denen jeder Sensible zu leben hoffte: »Schaue tief, fürchte nichts.« Sein Lächeln war fröhlich, erreichte seine grauen Augen aber nicht.
    Mit tiefer Verbeugung nahm Merrick den Inhalt der Schachtel entgegen. Auf den ersten Blick hätte man den aus dickem braunem Leder gefertigten Riemen für einen breiten Gürtel halten können; tatsächlich waren in das eine Ende Löcher gestanzt, und am anderen hatte er eine Schnalle. Allerdings zeigte sich bei näherem Hinsehen, dass er die sieben Runen trug. Der einzige andere Schmuck war Merricks persönliches Siegel, mühsam aus Obsidian geschnitzt und auf eine Messingöse gesetzt. Das Siegel würde ihm, sobald er den Riemen angelegt hatte, zwischen den Augen und über der Nase sitzen, ließe sich aufgrund der Öse aber auch nach oben schieben, dorthin, wo sich sein drittes Auge befand. Obwohl der Riemen sämtliche Runen des Sehens barg, musste man ihn nur zur Anrufung der letzten beiden Runen tragen. Er machte den Sensiblen blind gegen die wirkliche Welt, setzte ihn aber umso mehr den Unlebenden aus. Daher musste er mit größerer Vorsicht eingesetzt werden als die Handschuhe der Aktiven. Sein verborgener Zweck, von dem einzig Sensible wussten, machte ihn mächtiger als die blendenden Handschuhe.
    Nachdem er den Segen beider Vorgesetzten erhalten hatte, stand Merrick auf. Die Hände des Erzabts zitterten, als er die Schachtel schloss, aber seine Augen waren immer noch scharf. »Lasst Diakonin Faris Eure Nervosität nicht merken, junger Diakon. Vergesst nicht, wir würden Euch nicht schicken, wenn Ihr der Aufgabe nicht gewachsen wäret.«
    Diese Worte wären tröstlich gewesen, hätte Merrick über Sorcha nicht mehr gewusst, als Hastler sich jemals vorstellen konnte. Er lächelte seine Vorgesetzten nur an und nickte.
    Diakonin Sorcha Faris erwartete ihn bereits. Obwohl er vernehmlich eintrat, kehrte sie ihm weiter den Rücken zu und demonstrierte so, dass er ihr
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