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Die Runenmeisterin

Die Runenmeisterin

Titel: Die Runenmeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Groß
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war es das Bild dieser silbriggrauen Pflanzen. Hexenkraut, Nieswurz, Schachtelhalme, Disteln, Farne im Schatten. Uralte Pflanzen, lange schon auf dieser Welt gewesen, bevor es Menschen gegeben hatte. Gewächse, von denen ein Zauber ausging für die, die noch darum wußten, und Cai Tuam wußte darum.
    Ein Gatter umgab den Garten. Und ringsherum zog sich ein hauchdünner Seidenfaden. Dies war der Garten einer weisen Frau, der einer Hexe. Der Ire spürte es jetzt ganz genau, als würden die Pflanzen zu ihm sprechen. Er verharrte reglos. Fremde Gärten durfte man nicht betreten, lautete eine alte Regel. Sowenig wie man in fremde Häuser eindringen durfte. Gärten waren heilige Bezirke.
    In Cai Tuams Heimat gab es ähnliche Gärten. Gab es ähnliche Frauen, und die wurden, ganz ähnlich, zu Hexen erklärt. Und jetzt wußte er auch, warum er noch einmal hierher geritten war. Es war die Erinnerung an seine irische Heimat mit ihren verschwundenen Göttern und Priestern gewesen. Es war die Erinnerung an seine eigene Vergangenheit, von der er dachte, er hätte sie ausgelöscht, gebannt und totgeschlagen. In Wirklichkeit hatte er nichts vergessen. Überall auf der Welt gab es auch nach Hunderten von Jahren noch Hinweise auf die alten Götter, Gärten, Steine, Lieder, Sprüche und nicht zuletzt Menschen, die im Verborgenen blieben. Der Ire sah sich um, aber da war niemand: nur seine eigenen Bilder, die sich aus dem Nebel des Vergessens lösten, Bilder von Banshees, von Feen, die in einem Weiher badeten, Bilder von bärtigen Priestern, die Misteln schnitten, von den alten legendären Helden wie Cuchluchlain, von magischen Steinkreisen und magischen Alphabeten.
    Cai Tuam hatte diese Bilder loswerden wollen, doch sie schmerzten heute noch so wie vor zwanzig Jahren. Er erinnerte sich an seine Initiation als junger Novize eines verbotenen Glaubens. An den Großvater, einen der letzten keltischen Priester, der seine Hoffnung auf den Enkel gesetzt hatte. Aber Cai Tuam hatte ihn bitter enttäuscht. Er hatte die heiligen Zeichen seiner Religion, Stein, Stab, Kelch und Lanze, ins Meer geworfen und war Soldat geworden. Und hatte seither versucht, die Schatten der Erinnerung zu verscheuchen.
    Der Garten vor ihm aber brachte die Erinnerung zurück. Das, was ihn so anrührte, war das schlechte Gewissen, waren die alten Götter, die ihn anriefen, waren Schmerz und Scham und die Wahrheit, an die er einst geglaubt hatte. Die Wahrheit gegen die Welt, hatten die Druiden behauptet. Ja, die Wahrheit stellte sich immer und überall gegen die Welt, aber die Druiden waren tot.
    Die Sonne wanderte weiter. Mittag war längst vorbei, und er hockte noch immer auf der Erde und blickte zu diesem Garten hinüber. Er hatte vor fünfzehn Jahren Irland verlassen und für fremde Herren andere Soldaten erschlagen. Sein Gott war der des Schwertes geworden, der des Todes. Inzwischen war der Großvater längst tot, aber Cai spürte immer noch die Verachtung in seinem Blick. Der verlorene Enkel, der nicht im Untergrund leben wollte, weil es ihn zu Höherem getrieben hatte. Anhänger eines verbotenen Glaubens lebten in ständiger Lebensgefahr, weil die Kirche sie verfolgte und auch den letzten auszurotten versuchte.
    Cai Tuam starrte auf den sandigen Boden. Er wußte genug von magischen Dingen, um den Zauber zu spüren, der in diesem Garten gefangen war. Einst hatte er seine Seele den alten Göttern geweiht, aber er hatte das Versprechen, ihnen zu dienen, gebrochen. Die Wahrheit gegen die Welt. Und was hatte er getan? Er hatte sich dem neuen Glauben angepaßt und die Wahrheit verleugnet, weil er nicht mehr wußte, wo die Wahrheit war.
    Nein, das war nicht richtig, er hatte nichts verraten, er hatte nur alles vergessen, alles vergraben, zugeschüttet und war einfach weggegangen.
    Sigrun wußte nicht, was die Nornen bei der Geburt ihrer Tochter für ein Schicksal gesponnen hatten – das war ein Geheimnis, das selbst ihr, der letzten Runenmeisterin Sachsens, verborgen blieb. Aber daß es kein gutes sein würde, das begann sie allmählich zu ahnen.
    Ihre Hütte lag im Wald, verborgen für die meisten Menschen. Es gab welche, die behaupteten, sie könne sie unsichtbar machen, diese Hütte, mit Hilfe ihrer magischen Kräfte und den Runen, aber Sigrun lachte nur über solchen Aberglauben. Sichtbar oder unsichtbar machen, das konnten nur die Götter, doch deren Gestalt verblaßte immer mehr in diesen Zeiten, die im Zeichen des Christengottes standen.
    Sigrun stand am Fenster

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