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Die Runenmeisterin

Die Runenmeisterin

Titel: Die Runenmeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Groß
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er die Laute endlich zur Seite legte.
    Custodis verlangte nach mehr Wein und begann, eine Geschichte aus irgendeinem Krieg zu erzählen, der niemand zuhören wollte.
    »Einst traf ich eine schöne Frau,
schöne Frau, schöne Frau …«
    dichtete der Sänger mit einem Lächeln auf den Lippen. Im Feuer zischte es, und er griff in die falschen Saiten. Custodis war auf seinem Stuhl eingeschlafen, die Hand noch am Becher auf dem Tisch.
    Maria, die neben ihrer Stiefmutter saß, beugte sich zu ihr herüber. »Der Ire sollte morgen zu Hause bleiben«, flüsterte sie.
    Die Stiefmutter warf ihr einen kurzen Blick zu. Der herzogliche Vollstrecker hatte ein Auge auf den Arzt geworfen, das konnte jeder sehen. Custodis liebte junge Knaben und schöne Männer, seine Hände waren nicht für Frauen geschaffen, und sein Ruf war ihm vorausgeeilt.
    »Herr im Himmel«, murmelte Maria, »wie kann uns der Herzog einen solchen Teufel ins Haus schicken?«
    Die Stiefmutter hielt ihr hastig die Hand vor den Mund. »Um Gottes willen, Kind, sei still. Glaubst du, er schläft wirklich?«
    Sie flocht geschickt das Schiffchen durch ihren Webstuhl, der vor ihr stand. »Gott wird ihn strafen. Es ist widernatürlich.«
    Solche Gelüste waren Sünde. Schwerste Sünde. Maria hatte recht. Wie konnte ihnen der Herzog einen solch schamlosen Kerl ins Haus schicken?
    Maria sah zu Cai herüber. Er saß auf der Treppe, die zu den Kammern hinaufführte, und hatte dem Sänger gelauscht.
    Plötzlich hob Custodis den Kopf und drehte ihn herum. Sein Blick fand den Iren mit intuitiver Sicherheit und blieb auf ihm haften. Custodis lächelte. Seine Vorderzähne waren schwarze Stümpfe. Maria gefror das Blut in den Adern. Sie sah den Iren aufstehen und durch die Halle gehen. Er schlief bei den Soldaten, wenn ihm danach war, und heute schien ihm danach zu sein.
    Fünf Soldaten, Van Neil, der Ire und die beiden Herren warteten am nächsten Morgen im Innenhof auf ihren Pferden. Ein heftiger Wind zerrte an der Fahne, die über dem Söller wehte. Berthold lenkte sein Pferd zu dem Iren herüber. »Laßt Euch nicht provozieren«, sagte er ruhig. »Keine Wutausbrüche, verstanden?«
    Der Ire nickte nur.
    »Wenn Ihr Euch den zum Feind macht, sind wir alle erledigt.«
    »Soll ich mich mit ihm im Heu wälzen?« fragte der Ire mit einem matten Lächeln.
    »Nein, aber seid verbindlich. Gebt ihm zu verstehen, daß Ihr nicht interessiert seid. Aber diplomatisch.«
    Cai Tuam lachte unfreundlich. Es war kalt hier draußen, der Wind schneidend, die Sonne hinter den Wolken verschwunden.
    Custodis erschien, bestieg grußlos sein Pferd und ritt voraus. Schweigend ging es über einen schmalen Pfad durch den Wald. Kiefern und Föhren rauschten im Wind. Manchmal stahl sich die Sonne durch die weißen Wolken, die träge über den Himmel segelten.
    Berthold spürte seine Wunde. Wieder Schmerzen, wieder Fieber. Ein Leben im Fieberschauer. Jeder Atemzug eine Qual. Und immer dieser Schmerz im Kopf, der nie ganz verschwand. Sein Pferd strauchelte und riß ihn aus seinen Gedanken. Weiter, immer weiter ging es auf dem Pfad durch den Sachsenwald. Und dann auf einer Lichtung, in plötzliches Sonnenlicht getaucht, die Hütte. »Herr im Himmel, laß niemand dasein«, betete Berthold stumm und erschrak. Ketzerische, aufrührerische Gedanken. Der Mord mußte aufgeklärt werden.
    Sie stiegen von ihren Pferden, und Custodis ging voran. Die Hütte war aus massiven Holzstämmen gebaut, ein kleiner Kräutergarten auf der linken Seite angelegt. Die Angelika blühte und duftete herb aus runden, grüngelben Dolden, die fast bis zum Dach der Hütte reichten. Meerrettich und Küchenschelle, Minze und Heckenrosen wuchsen hier, und alles schien so friedlich, daß Custodis’ Klopfen an der Tür jedem durch Mark und Bein fuhr.
    Jemand öffnete. Es war eine ältere Frau mit fast weißem, zurückgebundenem Haar. Custodis stieß sie grob zur Seite und drang in das Haus ein. Berthold und der Ire folgten ihm.
    »Ich bin hier, um den Mord an dem Offizier Monreal zu untersuchen«, sagte Custodis gewichtig und baute sich in der Mitte des Raumes auf, der sauber und ordentlich wirkte. Frische Binsen auf dem festgetretenen Lehmboden, getrocknete Kräuter, die an der Decke hingen, ein Tisch, ein Stuhl, eine Feuerstelle.
    »Euer Name?«
    »Anna.«
    »Und weiter?«
    Sie schüttelte den Kopf. Sie hatte nur einen Namen. Berthold schätzte sie auf vierzig Jahre. Ihre blauen Augen schienen die Gefahr noch nicht erkannt zu haben, denn

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