Die Runenmeisterin
Pritschen aufgestellt, auf denen Soldaten schliefen, andere lagen auf der Erde, nur eine wollene Decke unter sich. Cai ging in die Box seines Pferdes und kam mit einer roten Decke zurück, die er Rosalie zuwarf.
»Leg dich hin und versuch, noch ein wenig zu schlafen«, sagte er, wies auf eine der leeren Pritschen und wartete, bis Rosalie sich in die Decke gewickelt hatte. Dann ging er einen Gang entlang, an dessen Ende Soldaten an einem Tisch saßen und würfelten.
Die Pritsche war hart, und Rosalie fror. Im Halbschlaf hörte sie das Klackern der Würfel, die Stimmen der Männer. Dann mußte sie eingeschlafen sein, denn sie erwachte davon, daß ein kahler, pockennarbiger Kerl im Rock eines einfachen Soldaten vor ihrem Bett stand.
»Wem gehört das Weib da?« rief er durch den Stall.
»Das ist Cainnechs Mündel«, antwortete Van Neil vom Würfeltisch herüber.
»Dann schaff sie weg«, knurrte der Kahle, »wir dulden hier keine Frauen.«
Der Ire nickte Rosalie zu. Sie schlug die Decke zur Seite und wollte aufstehen.
»Bring sie nach oben, wenn’s unbedingt sein muß.« Der Kahle wies auf die Treppe. »Aber gegen Morgen muß sie verschwunden sein. Es sei denn … wenn sie nicht irgend jemandes Liebchen ist, dann wird sie vielleicht meines …«
Der Ire am Würfeltisch sah auf. Der Soldat riß plötzlich die Decke ganz weg und schob sich neben Rosalie. Das Klackern der Würfel hatte aufgehört. Schritte hallten über den Gang, während Rosalie versuchte aus dem Bett zu springen, aber der Kerl hielt sie gepackt und lachte ihr leise und gurrend ins Ohr.
»Laß sie los«, hörte sie die Stimme des Iren neben dem Bett.
»So ein feiner Schatz«, murmelte der Kerl, und seine fahrigen Hände verfingen sich unter ihrem Kleid.
Dann sah sie plötzlich Blut, das auf die Decke tropfte. Der Kerl schrie auf, und Van Neils Stimme schallte durch den Raum. Cai Tuam stand mit seinem Messer neben dem Bett.
»Laß sie los«, sagte er kalt. Der Soldat hielt sich den Arm, und jetzt sah Rosalie eine schmale, lange, blutende Wunde an seinem Oberarm.
»Komm«, sagte der Ire zu ihr, warf sich die Pferdedecke über, packte sie an der Schulter und schob sie wortlos die Treppe hinauf. Fackeln beleuchteten kleine Kammern links und rechts des Ganges. In einer der Kammern stand ein richtiges Bett.
»Ich warte, bis du eingeschlafen bist«, sagte Cai Tuam lächelnd, schloß die Tür und wartete. Rosalie zögerte.
»Ich bleibe hier«, sagte Cai Tuam, »in sechs Stunden geht die Sonne auf, dann kannst du zurück.«
Sie wickelte sich schließlich in die Decke und starrte aus dem Fenster in die Dunkelheit. Bis ihr die Augen zufielen vor Müdigkeit. Als sie noch im Halbschlaf hörte, daß er sich leise neben sie legte, wurde sie wieder wach. Unten trat ein Pferd gegen die Box. Selbst hier war das Klackern der Würfel noch zu hören.
Cai blieb stumm. Schlief er? Sie drehte den Kopf zu ihm hin. Er sah sie an, grüne Augen, die in der Dunkelheit noch grüner waren.
»Hättet Ihr ihn umgebracht?« fragte sie scherzhaft.
»Gewiß«, sagte er belustigt und lachte leise. Sie spürte seine Hand in ihrem Haar und rückte näher zu ihm hin.
»Cai, wir passen so gut zusammen, Ihr und ich …«
Eine Weile sagte er nichts.
»Früher«, sagte er dann, »früher, weißt du, als die Bäume noch Götter waren, hätte ich dich an Beltane getroffen. Wir hätten zusammen gelegen, und du wärest vielleicht schwanger geworden. Es wäre ein Kind der Göttin geworden, ein Kind der Beltanefeuer. Weißt du, was passiert, wenn du heute schwanger wirst? Du bist so jung, Rosalie, fast noch ein Kind.«
»Was passiert, Cai?«
»Entweder sie zwingen dich, einen Mann zu heiraten, um die Schande zu vertuschen, oder ich gebe dir ein Kraut, um die Frucht abzutreiben, wenn du es nicht selbst kennst. Ich darf nicht, Rosalie.«
»Willst du denn?«
»Ja, Rosalie.«
Sie lagen stumm auf dem harten Bett. Es hätte noch eine dritte Möglichkeit gegeben, aber daran dachte er nicht. Er würde keine Frau heiraten und sich binden. Und sie traute sich nicht, mehr zu verlangen, aus Angst, er würde ihr auch dies bißchen Vertrautheit noch entziehen.
»Wohin geht Ihr sonst, Cai?« fragte sie ihn. »Oder führt Ihr ein Leben wie ein Mönch?«
Er spielte wieder mit ihrem Haar. »Es gibt Frauen, die kann man kaufen.«
»Und ist es Euch da gleich, was passiert?«
»Ich mag dich, Rosalie, das ist der Unterschied.«
Sie drückte sich enger an ihn. »Wollust oder Liebe, Cai?«
Er
Weitere Kostenlose Bücher