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Die Runenmeisterin

Die Runenmeisterin

Titel: Die Runenmeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Groß
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Gast, unbekannt und fremd. Zuneigung, Sympathie, vielleicht sogar Liebe. Er wollte es nicht wieder loslassen und hatte Angst davor, daß sich der alte kalte Panzer wieder über ihn stülpen könnte.
    »Ich kann das nicht, Cai«, sagte Rosalie, »diese Art Leben ist nichts für mich. Ich will Ruhe und Frieden.«
    »Du wolltest mich einmal heiraten«, murmelte er.
    »Ja, aber ich will keinen Mann, dem, wenn er nach Hause kommt, das Blut von unschuldigen Menschen an den Händen klebt. Andere haben tagsüber ihr Feld bestellt, haben Tuche gefärbt oder Bier und Wein ausgeschenkt, aber was hast du gemacht? Und wenn es Krieg gibt, werde ich im Lager warten, bis du zurückkommst oder auch nicht. Nein, Cai, das will ich nicht.«
    Er saß da und regte sich nicht. Rosalie hatte erwartet, jetzt würde er gehen. Statt dessen rutschte er vom Tisch und berührte mit dem Handschuh leicht ihre Wange. »Ich habe darüber nachgedacht, Rosalie. Ich habe keine Papiere, war nie auf einer Universität. Aber Maesfeld kennt einflußreiche Leute, die könnten mir die nötigen Dokumente besorgen …«
    »Wovon sprichst du?«
    »Ich könnte mich als Arzt niederlassen.« Er zog sich die Handschuhe aus und warf sie auf den Tisch. »Ich bin des Tötens überdrüssig, Rosalie, und des Gehorchens. Glaubst du, es macht mir nichts aus? Wenn es zum Krieg zwischen dem Kaiser und Heinrich kommt, dann werde ich mitziehen müssen, aber es wird das letzte Mal sein. Danach ist Schluß. Wirst du auf mich warten, Rosalie? Dieses eine Mal noch?«
    Sie zögerte und war verwirrt. Warum sprach er vom Krieg? »Und wenn sie dich töten im Krieg?«
    Er beugte sich vor und berührte ihren Mund flüchtig mit seinen warmen Lippen. »Ja«, murmelte er düster, »wer weiß das schon? Leg für mich die Runen, Rosalie, und ich rufe alle Götter an, die ich kenne. Meinst du, es wird helfen?«
    »Gewiß«, erwiderte sie, aber sie hatte weder zu den Runen noch zu den Göttern großes Vertrauen.

LAGUZ
    Í
    »Ein vierzehntes kann ich,
soll ich dem Volk der Menschen
die Himmlischen herzählen:
von Asen und Alben weiß ich alle Kunde;
kein Witzloser weiß davon.«

Es war wieder Frühling geworden. In Raupach war eine Gruppe Pilger angekommen. Mit schmerzenden Füßen und knurrendem Magen ließen sie sich in der Halle nieder, wo Raupach sie mit Brot und Wein bewirtete. Es waren zwei Bürgerliche und ein Ritter auf dem Weg nach Rom. Sie kamen von Schleswig und waren gottesfürchtige Menschen, mit Leid und Schuld beladen. Heinrich Lauser hatte ein Geschwür am Bein, das nicht heilen wollte, Gerd Atze schwieg sich aus über den Grund seiner Pilgerschaft, und der Ritter Gunt von Ambach hatte seine Frau verloren und konnte sie nicht vergessen. Atze war ein verschlossener Mensch mit rabenschwarzem Haar und düsteren Augen, der nur hin und wieder ein Wort in die Runde warf. Ambach und Lauser waren dafür um so gesprächiger. Sie genossen die Wärme des Feuers und den Pastetenkuchen, während Raupach sie nach Neuigkeiten ausfragte, aber außer Klatsch wußten sie erst einmal nichts zu erzählen. Statt dessen widmeten sie sich dem Fischbrei mit Mandeln, der nun aus der Küche gebracht wurde.
    »Wenn er kommt, dann kommt er jetzt«, sagte endlich Lauser und wischte mit dem Brot die Reste des Breis von seinem Brett. »Das Wetter ist günstig.«
    Sie wußten alle, wovon er sprach. Vor wenigen Tagen war ein Kurier dagewesen und hatte berichtet, daß der Kaiser sein Heer gesammelt habe, um gegen den Herzog zu ziehen.
    »Es wird Krieg geben«, nickte Ambach.
    Raupach wischte sich mit dem Ärmel über den Mund. »Ja, und was wird dann aus Sachsen?«
    Ambach lachte grimmig. »Es gibt genug kaisertreue Vasallen oder solche, die es werden wollen, die ein Stück davon gut gebrauchen könnten. Sachsen ist dem Kaiser zu groß und zu mächtig. Er wird es zerstückeln, bis es ihm klein genug ist. Das bedeutet Kampf. Aber ich habe gesehen, Ihr habt eine Mauer um Euer Anwesen gezogen, da, wo früher nur Palisaden standen. Die wird Euch vielleicht das Leben retten.«
    Sie hingen jeder seinen Gedanken nach. Atze dachte an Rom, an die Sonne und die schwere Hitze und betete still um die Vergebung seiner Sünden. Ambach war müde und sehnte sich nach einem Bett. Nur Lauser stopfte sich immer noch den Wanst voll und schwärmte von den feurigen italienischen Frauen.
    »Letztes Jahr war ein Freund von mir ebenfalls auf Pilgerschaft«, sagte er plötzlich und betupfte sich den Mund mit einem Tuch. »Er erzählte

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