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Die Runenmeisterin

Die Runenmeisterin

Titel: Die Runenmeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Groß
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seinem Freund, der sie geschwängert hatte. Es tat so gut, endlich alles loszuwerden, aber gleichzeitig wußte sie auch, daß Berthold der letzte war, der dieses Geständnis verdient hatte. Und sie wußte, daß sie sich um Kopf und Kragen redete. Sie würde dafür bezahlen müssen. Als sie fertig war, stand sie auf. Ihr schwindelte. Doch mochte sich jetzt vollenden, was sie begonnen hatte.
    Berthold schwieg. Wie tot lag er da, die Augen geschlossen. So wie Monreal damals. Als er sie endlich wieder öffnete, standen Tränen darin. Er versuchte aufzustehen, klammerte sich an den Pfosten seines Bettes. »Weib«, flüsterte er, »geh mir aus den Augen.«
    Er stand endlich aufrecht. Maria wich zurück, öffnete die Tür. Berthold kam auf sie zu. Aber sie war schon aus dem Zimmer geschlüpft.
    Er spürte die Wunde wieder. Eine unachtsame Bewegung nur, und sie war wieder aufgeplatzt. In Wirklichkeit war sie wohl nie richtig zugeheilt. Er krümmte sich und fiel zu Boden. Das Blut tropfte auf die Dielenbretter, und es war ihm, als spüre er es überall. An den Händen, am Rücken, am Kopf. Als ströme es wie ein Fluß zum Meer.
    So war das also, dachte er, das Ende aller Dinge. Die eigene Frau eine Hure, der Freund ein Betrüger, die, der er einen Platz zum Schlafen und zu essen gegeben hatte, eine Mörderin. Überall nur Täuschung, nur Illusion. Ein ganzes Leben gebaut auf Heidesand. Und überall nur Blut. Er schmeckte es auf der Zunge. Wollte nach dem Diener rufen, aber da war keine Kraft mehr. Und Maria war gegangen.
    Es würde niemand kommen. Vielleicht wollte er auch gar nicht, daß einer kam. Vielleicht wäre Sterben einfacher als diese Art von Leben, das sich ohnehin ganz langsam davonstehlen wollte. Er schloß die Augen und legte sich hin. Die Dielenbretter waren kalt, aber er hatte keine Kraft mehr aufzustehen. Er würde schlafen, merkte, wie er ins Reich der Dämmerung herüberglitt. Sein letzter Gedanke galt dem Iren. Er hatte nicht einmal die Möglichkeit, den Iren zu fragen, nach Lüge und nach Wahrheit, und er hätte ihn so gern gefragt, diesen guten Geist seines Lebens …

MANNAZ
    Î
    »Ich kann dies als fünfzehntes,
daß vor Dellings Tor Thjodrönr ertönen ließ:
er sang Kraft der Asen, den Alben Gewinn,
Weisheit Valvaters.«

Rosalie schrak hoch. Um sie war tiefe Nacht. Draußen vor dem Zelt knackte das Holz im Feuer. Sie konnte ins Feuer sehen. Feuer und Wasser, Erde und Luft, aber Wasser ist am stärksten.
    Rosalie erhob sich langsam. Es war nur ein schwacher Schein, der durch die Zeltwand drang, aber sie konnte jede Flamme erkennen. Selbst die Glut. Sie sah H AGALAZ und N AUTIZ . Irgend etwas war geschehen. Irgend jemand würde sterben.
    Sie schlug den Eingang des Zeltes zur Seite. Die Menschen schliefen, nur hier und da ein Feuer, da und dort eine Wache. Der Ire saß mit einigen Soldaten zusammen, und sie unterhielten sich leise. Wilde, hartgesottene Kerle, die für den Kaiser und gutes Geld ihren Kopf hinhielten. Rosalie setzte sich neben den Iren auf die Erde. Er musterte sie erstaunt.
    »Es ist etwas geschehen«, murmelte sie, »jemand ist in meinem Garten gewesen und hat die heiligen Kreise gestört. Jemand wird sterben. Paß auf Raupach auf.«
    Die Worte quollen ihr über die Lippen, umgeformt und ungewollt. Not, Nacht, Tod klang es in ihr. Es war nicht das erste Mal, daß sie diese Ahnung verspürte. Daß sie etwas wußte, was sie nicht wissen konnte, aber es hatte in den Runen gestanden. Etwas hatte sich erfüllt, was an diesem See im letzten Herbst begonnen hatte.
    Not, Nacht, Tod. Die Runen erfüllen sich, wenn ihre Zeit gekommen ist, und nicht, wenn der Mensch es will.
    Cai stand auf und nahm Rosalie zur Seite.
    »Ich weiß nichts«, kam sie ihm zuvor, »aber gib auf Raupach acht, ich bitte dich.«
    Sie ließ ihn stehen, ging zum Zelt zurück und legte sich wieder hin. Sie schlief ein. Und dann stand sie mit ihren Gedanken plötzlich außerhalb dieser Welt, so als sei sie in den Garten der Nornen getreten, die sie einen Blick in die Zukunft werfen ließen. Sie träumte davon, daß Urd ihr einen Spiegel vorhielt, in dem sie drei tote Brunnen erblickte, Brunnen ohne Wasser und ein Garten ohne Blumen. Und dann stand auch ihre Mutter da. »Wenn sich innerhalb eines Jahres dreimal die gleichen Dinge, Worte oder Zeichen wiederholen, dann mach ungeschehen, was du angerichtet hast«, hörte sie Sigrun sagen; und dann hüpfte eine fette Unke in einen der leeren Brunnen. Da wurde sie wach.
    Des

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