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Die russische Gräfin

Die russische Gräfin

Titel: Die russische Gräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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niederließ.
    »Ich habe das aus zu großer Nähe miterlebt, um mich da zu täuschen.« Sie ertappte sich bei einem Lächeln und biß sich auf die Lippen. »Meine Meinung mag Ihnen gewagt vorkommen, aber Sie sind ein Mann. Ich habe sie doch mit ihm zusammen gesehen. Sie war eine starke Frau und extrem selbstsicher. Und er betete sie an. Er unternahm nichts ohne sie, und das wußte sie.« Ein Anflug von Belustigung blitzte in ihren Augen auf. »Es gibt viele kleine Zeichen, die einem verraten, ob eine Frau sich der Gefühle eines Mannes nicht sicher ist oder ob sie glaubt, sich um ihn bemühen zu müssen. Gisela liebte Friedrich. Bitte glauben Sie mir das. Aber sie wußte auch, wie tief seine Liebe zu ihr war, und daß sie keinen Grund hatte, an seinen Gefühlen zu zweifeln. Und selbst wenn sein Land ihn gerufen hätte, er hätte sie nicht verlassen. Ich würde sogar sagen, daß er sie brauchte. Sie war sehr stark, wissen Sie. Ich wiederhole mich, nicht wahr? Aber es stimmt.«
    »Sie sprechen von Gisela in der Vergangenheit«, bemerkte er und setzte sich nun ebenfalls.
    Ihre blauen Augen weiteten sich. »Nun ja, sein Tod hat sie all dessen beraubt. Seitdem lebt sie in vollkommener Zurückgezogenheit.«
    Monk registrierte voller Überraschung, daß er nicht einmal wußte, wo Gisela jetzt lebte. Seit Friedrichs Tod war nichts mehr von ihr zu hören gewesen.
    »Wo ist sie eigentlich?« fragte er.
    Seine Unkenntnis erstaunte sie. »In Venedig natürlich.«
    Er hätte es sich ja denken können, aber er hatte sich zu sehr mit der Vergangenheit beschäftigt, als daß er sich um Giselas momentanen Aufenthaltsort hätte kümmern können. Unwillkürlich fragte er sich, wer ihr dann die Nachricht von Zorahs Anschuldigungen überbracht hatte, tat den Gedanken aber gleich wieder ab.
    »Wie wurde ihm eigentlich das Essen zubereitet, als sie ihn hier pflegte?« wollte er wissen. »Und wer brachte es ihm? Er aß doch immer in seinen Gemächern?«
    »Ja, natürlich. Er war zu krank, um das Bett zu verlassen. Und sein Essen wurde in der Küche zubereitet.«
    »Von wem?«
    »Von der Köchin… Mrs. Bagshot. Gisela wich nie von seiner Seite, falls Sie darauf hinauswollen.«
    »Wer besuchte ihn sonst noch?«
    »Der Prince of Wales kam einmal zum Dinner.« Obwohl es sich um ein Verhör handelte und sie um ihren guten Ruf als Gastgeberin fürchtete, hob sie stolz die Stimme, als sie auf den britischen Thronfolger zu sprechen kam. »Er ging kurz zu ihm nach oben.«
    Monk hatte auf einmal ein flaues Gefühl in der Magengrube. Ein weiterer Sargnagel für Rathbones Karriere.
    »Sonst niemand?« bohrte er nach. Nicht daß er sich allzuviel davon versprach! Jedermann hätte ohne weiteres ein Küchenmädchen auf der Treppe abpassen und unbemerkt eine Flüssigkeit ins Essen oder in ein Glas träufeln können. Vielleicht war auch mal ein Tablett für ein paar Momente auf einem Seitentisch abgestellt worden; wenige Sekunden hätten genügt, um ein paar Tropfen Eibenblattdestillat dazuzugeben. Wirklich jeder hätte in den Garten gehen und Blätter ausreißen können, jeder außer Gisela.
    Schwerer war es da schon, aus den Blättern oder der Rinde ein wirksames Gift zu gewinnen. Dazu hätten sie lange gekocht werden müssen. In der Küche wäre das nicht möglich gewesen, es sei denn in der Nacht, wenn alle anderen schliefen. Hatte einmal jemand am Morgen einen Topf vergeblich gesucht, weil er verräumt worden war? Solche Details wären nützlich zu wissen, würden aber keinen Aufschluß über den Täter geben.
    Lady Wellborouth wartete auf die nächste Frage.
    »Danke«, sagte Monk und erhob sich. »Als nächstes werde ich die Köchin und den Rest des Küchenpersonals befragen.«
    Plötzlich wurde Lady Wellborough leichenblaß und wäre fast umgekippt, hätte sie sich nicht an Monks Arm festgehalten.
    »Bitte fassen Sie sie mit Samthandschuhen an, Mr. Monk! Gute Köchinnen sind schwer zu bekommen und legen jedes Wort auf die Goldwaage. Wenn Sie auch nur vage andeuten, sie könnte in ein…«
    »Das werde ich nicht«, versprach Monk. Er unterdrückte ein Grinsen. Was war das nur für eine Welt, in der Adelige panische Angst vor dem Verlust einer Köchin hatten? Aber was wußte er schon über die Verhältnisse in diesem Haus? Am Ende hing womöglich Lady Wellboroughs Glück von der Laune ihres Mannes ab, die vielleicht von den Künsten der einzigen ihnen verbliebenen Köchin beeinflußt wurde. War das der Grund für ihre Angst?
    »Ich werde sie nicht

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