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Die russische Gräfin

Die russische Gräfin

Titel: Die russische Gräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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»Nein, nichts von der Sorte. Es ging nie um was Bestimmtes. Es war einfach nur schlechte Laune. Eheleute halt, die sich ständig in den Haaren liegen. Stritten über alles und nichts. Mir war das Ganze zuwider, aber ich bin ja auch nich’ verliebt.«
    »Aber sie flirtete doch nicht mit anderen Männern?«
    »Die? Die flirtete schamlos. Aber nie so, als ob sie es ernst meinte. Das is’ nämlich ein gewaltiger Unterschied. Jeder wußte, daß sie bloß Spaß haben wollte, sogar der Prinz. Aber wenn Sie glauben, sie hätte ihn umgebracht, weil sie auf ’nen anderen stand, dann zeigt das nur, wie wenig Sie wissen. Sie war das überhaupt nicht! Die haben es ja fast alle so getrieben. Was meinen Sie, was hier los war, als der Prince of Wales da war? Ich könnte Ihnen da so ein paar Geschichten erzählen, aber dann wäre ich meine Stelle los.«
    »Ich möchte lieber nichts davon hören«, bemerkte Monk säuerlich. Er sah schon Rathbone vor Gericht – wenn auch gezwungenermaßen – peinliche Einzelheiten über den Sohn der Königin ausbreiten, die alsbald im ganzen Volk weiterverbreitet würden, damit man sich erst aufgeregt die Lippen lecken und nachher um so empörter entrüsten konnte. Allein bei der Vorstellung trat ihm schon der kalte Schweiß auf die Stirn.
    Die übrigen Bediensteten bestätigten Monk, was er ohnehin schon wußte: Gisela hatte nach Friedrichs Unfall kein einziges Mal ihre Suite verlassen, es sei denn, um sich zu baden oder im Zimmer nebenan auszuruhen. Das Zimmermädchen war immer in Hörweite gewesen. Bei der Bestellung der Mahlzeiten hatte sie exakte Anweisungen gegeben, aber sie war nie selbst in die Küche gegangen.
    Andererseits hatten sich alle anderen frei im Haus bewegt und hätten genügend Gelegenheiten gehabt, den Diener, der Friedrich das Essen brachte, abzulenken und unbemerkt Gift hineinzumischen. Zunächst hatte Friedrich nur Rinderbrühe zu sich genommen, später Brot mit Milch und ein bißchen Eiercreme. Wenn Gisela überhaupt etwas gegessen hatte, dann dasselbe wie alle anderen. Ein Lakai erinnerte sich, Brigitte auf der Treppe begegnet zu sein, als er mit einem Tablett zu Friedrich unterwegs gewesen war. Ein anderer hatte einmal das Tablett mehrere Minuten lang stehenlassen, weil Klaus im Zimmer gewesen war.
    Damit wurde Rathbones Lage immer auswegloser und Zorahs Verurteilung um so wahrscheinlicher. Gisela konnte rein physisch nicht schuldig sein, und nichts wies auf ein plausibles Motiv hin.
    Auch gab es keine konkreten Hinweise auf andere mögliche Täter. Der häßliche Verdacht gegen Brigitte und Klaus blieb gleichwohl bestehen, ein Umstand, der Monk vor nicht allzu langer Zeit wegen Evelyn betrübt hätte, was aber jetzt kaum noch zählte. Voller Sorgen brach er zur Rückreise nach London auf. Unablässig beschäftigten ihn Rathbone und die Frage, wie er Hester mitteilen sollte, daß er keine Ergebnisse vorweisen konnte.

9
    Als Rathbone Ende Oktober am Tag vor Prozeßbeginn in seinem Club saß, gesellte sich der Lord Chancellor zu ihm.
    »Guten Tag, Rathbone.« Kaum war der Lord Chancellor im Fauteuil versunken und hatte die Beine übereinander geschlagen, stand auch schon der Ober hinter ihm. »Brandy«, sagte er freundlich. »Hören Sie, haben Sie Napoleon Brandy? Bringen Sie mir doch ein Glas. Und eins für Sir Oliver.«
    »Oh, danke!« Rathbone nahm überrascht an. Gleichwohl beschlich ihn schon eine dunkle Vorahnung.
    Der Lord Chancellor sah ihn ernst an. »Häßliche Sache«, brummte er mit einem matten Lächeln, das seine Augen nicht erreichte. »Ich hoffe, Sie können sie mit der gebotenen Diskretion erledigen. Diese Frau ist völlig unberechenbar. Da kann man gar nicht vorsichtig genug sein. Zum Rückzug konnten Sie sie wohl nicht bewegen?«
    »Nein, Sir«, gab Rathbone zu. »Ich habe wirklich jedes Argument versucht. Nichts hat geholfen.«
    Der Lord runzelte die Stirn. »Sehr bedauerlich.«
    Der Ober brachte den Brandy. Sie nahmen sich jeder ein Glas und nippten daran. Rathbone hätte ebensogut kalten Tee trinken können, so wenig genoß er seinen Weinbrand.
    »Wirklich sehr bedauerlich«, wiederholte der Lord Chancellor und trank einen weiteren Schluck, um dann die Hände wärmend um das Ballonglas zu legen, damit das Aroma sich besser entfalten konnte. »Aber Sie haben doch sicher alles unter Kontrolle.«
    »Selbstverständlich«, log Rathbone. Solange die Niederlage nicht besiegelt war, wollte er sie auch nicht eingestehen.
    »Nun gut.« Offenbar ließ sich

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