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Die russische Gräfin

Die russische Gräfin

Titel: Die russische Gräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Aufregung schwappte durch den Saal.
    Einmal wenigstens reagierte auch Gisela. Sie zuckte zusammen wie unter einem heftigen Schlag ins Gesicht.
    »Und waren Sie in Anbetracht der möglichen Auswirkungen seiner Rückkehr bereit, auf diese Bedingungen einzugehen?« fragte Rathbone, sobald wieder Stille herrschte.
    Rolf hob das Kinn. »Nein, Sir, das waren wir nicht.«
    »Sie sagen ›wir‹. Wen meinen Sie damit, Graf Lansdorff?«
    »Diejenigen unter uns, die daran glauben, daß die bestmögliche Zukunft unseres Landes in unserer Unabhängigkeit begründet liegt, und zwar mit den Gesetzen und Privilegien, die wir derzeit genießen. Wer eine Allianz mit anderen deutschen Staaten wünscht, insbesondere mit Preußen oder Österreich, würde uns in eine dunklere Zeit zurückstoßen, in der jede Freiheit unterdrückt wurde.«
    »Und haben Ihre Freunde Sie zum Führer dieser Bewegung ernannt?« erkundigte sich Rathbone.
    Rolf starrte ihn an, als hätte er in einer unverständlichen Sprache gesprochen.
    Rathbone trat näher heran. »Teilt Ihre Schwester, Königin Ulrike, Ihre Überzeugung?«
    »Ja.«
    »Und Ihr Neffe, Prinz Waldo?«
    Rolfs Gesicht verriet fast keine Regung. Nur seine immer steifer werdende Haltung zeugte von Gefühlen. »Nein, der nicht.«
    »Logischerweise, denn sonst hätte man ja nicht Prinz Friedrich benötigt. Wie ich gehört habe, gibt der Gesundheitszustand Seiner Majestät des Königs Anlaß zu großen Sorgen?«
    »Der König ist schwerkrank«, bestätigte Rolf. »Er wird von Tag zu Tag schwächer.«
    Rathbone dreht sich halb zum Saal um, ohne dabei den Grafen aus den Augen zu lassen. »Ihr Wunsch, Prinz Friedrich zurückzuholen, ist nur zu verständlich, Sir. Ich denke sogar, daß fast alle hier im Saal mit Ihnen fühlen und an Ihrer Stelle genauso gehandelt hätten. Nur eines will mir beim besten Willen nicht einleuchten: Warum ist Prinzessin Gisela am Hofe so sehr verhaßt, daß Prinz Friedrichs Rückkehr von der Scheidung abhängig gemacht wurde? Das ergibt für mich einfach keinen Sinn.« Er warf einen kurzen Blick auf Gisela. »Sie ist eine attraktive, charmante Frau, war stets eine treue, würdevolle und geistreiche Gattin und ist eine der erfolgreichsten Gastgeberinnen von ganz Europa. Ihre Unbescholtenheit ist nie in Frage gestellt worden. Warum wollen Sie dann möglicherweise um den Preis der Unabhängigkeit Ihres Landes verhindern, daß sie mit ihrem Mann zurückkehrt?«
    »Sir«, antwortete Rolf, ohne sich aus der Habachtstellung zu lösen, »die gegenwärtigen Verhältnisse bestehen seit gut zwanzig Jahren. Bis auf Ihre Einblicke in die jüngsten Ereignisse haben Sie keinerlei Kenntnisse davon. Wenn Sie glauben, Sie könnten den Grund auch nur ansatzweise verstehen, so ist das lächerlich.«
    »Ich muß ihn aber verstehen«, versicherte ihm Rathbone.
    »Und das Gericht nicht minder.«
    »Das müssen Sie nicht!« rief Rolf. »Er hat nichts mit Friedrichs Tod oder Gräfin Rostovas Beschuldigungen zu tun!«
    Der Richter sah Rolf unverwandt an. Auf seiner Stirn bildete sich eine tiefe Falte, doch sein Ton war noch unendlich geduldig, als er erklärte: »Sie gehören nicht zu den Geschworenen, Graf Lansdorff. Sie sind hier Zeuge vor einem englischen Gericht, und was nötig ist und was nicht, das entscheide ich in Einklang mit den Gesetzen. Und diese zwölf Herren« – er deutete auf die Geschworenen – »werden beratschlagen und zu einem Beschluß über das, was sie für wahr halten, kommen. Ich kann Sie nicht zwingen, Sir Olivers Fragen zu beantworten, aber ich kann Ihnen dazu raten. Sollten Sie eine Aussage dazu verweigern, würden Sie Mutmaßungen über die Gründe Ihres Schweigens Tür und Tor öffnen. Auf Mord steht die Todesstrafe. Der vorliegende Mord wurde auf englischem Boden verübt und unterliegt dem englischen Gesetz, wer auch immer ihn begangen haben mag.«
    Rolf wurde aschfahl.
    »Ich habe keine Ahnung, wer Friedrich getötet hat oder warum. Stellen Sie Ihre Fragen.« Den Zusatz »Und gehen Sie zum Teufel« behielt er zwar für sich, aber er stand ihm ins Gesicht geschrieben.
    »Danke, Euer Ehren.« Rathbone wandte sich wieder Rolf zu.
    »Wußte Prinzessin Gisela von Ihren Verhandlungen, Graf Lansdorff?«
    »Von mir nicht. Ob Friedrich sie informierte, weiß ich nicht.«
    »Ihr Verhalten gab Ihnen keine Aufschlüsse?« fragte Rathbone erstaunt.
    »Sie gehört nicht zu den Frauen, deren Gefühle oder Gedanken sich in ihrem Gesicht spiegeln«, antwortete Rolf kalt, ohne Gisela

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