Die russische Gräfin
Rathbone mit warnendem Unterton. Rolf war jedoch nicht mehr zu bremsen. »Hätte Friedrich sie aufgegeben, hätte er eine geeignetere Frau heiraten können , eine, die dem Land einen Erben geschenkt hätte. Es gibt genügend geistreiche junge Frauen mit adeligem Blut, unbeflecktem Ruf und ansprechendem Äußeren.« Er wandte den Blick nicht von Rathbone, doch sein verkniffenes Gesicht verriet, wie sehr ihm diese Aussage widerstrebte. »Die Baronin Brigitte von Arlsbach zum Beispiel wäre von Anfang an eine ideale Wahl gewesen. Die Königin flehte ihn an, sie zu heiraten. Sie hat wirklich alle erforderlichen Eigenschaften und wird vom Volk geliebt. Dazu stammt sie aus unbescholtenem Haus, und ihr guter Ruf ist in aller Munde.«
Er ignorierte die Leute, die mit den Augen im Saal absuchten, in der Hoffnung, Brigitte zu entdecken. »Sie ist eine Frau von Würde und Ehre und wird von allen, die sie kennen, geachtet, auch im Ausland«, fuhr er fort. »Aber er wollte unbedingt diese da haben.« Für einen kurzen Moment flackerte sein Blick zu Gisela hinüber. »Und wir haben keinen Erben.«
»Eine Tragödie, von der viele Dynastien betroffen sind, Graf Lansdorff«, sagte Rathbone mit einem verständnisvollen Nicken. »Auch uns in England ist sie nicht fremd. Sie werden Ihre Konstitution ändern müssen, damit auch weibliche Nachfahren auf den Thron folgen können.« Er achtete nicht auf Rolfs ungläubige Miene. »Aber Sie konnten bei Friedrich und Giselas Hochzeit nicht wissen, daß auch diese Verbindung kinderlos bleiben würde. Es ist ungerecht, Gisela – anders als Waldo – einseitig die Schuld dafür zu geben und zu behaupten, sie hätte eine Schwangerschaft verhindert.« Er senkte die Stimme. »Viele Frauen sehnen sich verzweifelt nach einem Kind und leiden unter ihrer Unfruchtbarkeit, auch wenn sie sich nach außen hin nichts anmerken lassen. Es ist nun mal ein sehr privater und zutiefst persönlicher Kummer. Warum sollte man ihn, noch dazu bei einer Prinzessin, vor der Öffentlichkeit zur Schau stellen?«
»Bei Waldo ist es ein Leiden, Sir«, entgegnete Rolf bitter.
»Gisela hat sich bewußt so entschieden. Fragen Sie mich nicht, woher ich das weiß.«
»Ich muß Sie aber fragen. Es ist ein schwerwiegender Vorwurf, Graf Lansdorff. Sie können nicht erwarten, daß das Gericht Ihnen glaubt, wenn Sie keine Gründe nennen.«
Harvester sprang auf. Sein Gesicht war rot angelaufen. »Euer Ehren, das ist ungeheuerlich! Ich…«
»Richtig, Mr. Harvester«, sagte der Richter gelassen.
»Graf Lansdorff, entweder Sie ziehen Ihre Behauptungen über Prinzessin Gisela als unwahr zurück, oder Sie nennen Ihre Gründe dafür und erlauben es dem Gericht, selbst zu entscheiden, was es glauben will.«
Rolf nahm wieder die Habachtstellung ein. Seine Augen schauten über die Pulte der Anklage und der Verteidigung hinweg in die Galerie. Rathbone drehte sich unwillkürlich um und folgte seinem Blick. Auch der Richter und die Geschworenen spähten in dieselbe Richtung.
Rathbone erkannte Hester. Neben ihr saß in einem Rollstuhl ein junger Mann mit in der Sonne glänzendem blondem Haar.
Dahinter befand sich ein äußerst elegant gekleidetes älteres Ehepaar – dem Blick nach zu urteilen, mit dem sie ihn ansahen, seine Eltern. Das mußte der Patient sein, von dem Hester ihm erzählt hatte. Wie sie ihm gesagt hatte, stammten sie aus Felzburg. Insofern war es verständlich, daß sie nach all dem Aufhebens der Zeitungen die Verhandlung verfolgten.
Rathbone wandte sich wieder seinem Zeugen zu. »Graf Lansdorff?«
»Gisela ist nicht unfruchtbar«, stieß Rolf mit zusammengepreßten Zähnen hervor. »Lange vor ihrer Hochzeit mit Friedrich hatte sie ein Kind aus einer unehelichen Affäre.«
Alle, Männer und Frauen, schnappten nach Luft. Harvester riß es von seinem Stuhl, doch da ihm nichts einfiel, setzte er sich wieder.
Gisela war wie vom Donner gerührt. Einer der Geschworenen hustete.
Und sogar Rathbone hatte es die Sprache verschlagen.
»Sie wollte es nicht«, fuhr Rolf in schneidendem Ton fort.
»Sie wollte es loswerden, abtreiben…« Wieder zwang ihn das Durcheinander im Saal innezuhalten. Die Zuschauer machten ihrer Empörung, ihrer Abscheu lauthals Luft. Eine Frau kreischte, ein Mann stieß wahllos die übelsten Flüche aus.
Der Richter hämmerte verzweifelt auf sein Pult, während Harvester benommen dasaß, als hätte ihn jemand ins Gesicht geschlagen.
Rolfs rauhe Stimme übertönte den ganzen Lärm. »Aber der
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