Die russische Gräfin
bekannt?«
»Natürlich«, antwortete Rolf düster. »Wir machten ihn darauf aufmerksam, als er seine Heiratsabsicht bekanntgab. Er hörte nicht auf uns. Er hatte die Gabe, einfach die Augen zu schließen, wenn er etwas nicht sehen wollte.«
»Und die spätere Abtreibung? Ich nehme an, sie ist der Grund dafür, daß sie seitdem nicht wieder schwanger wurde.«
»Ihre Annahme ist richtig. Jetzt kann sie keine Kinder mehr bekommen. Das wird der Arzt Ihnen vermutlich nicht bestätigen, aber es ist wahr.«
»Wußte Prinz Friedrich, daß sein Kind im Mutterleib getötet wurde?«
Ein Aufschrei ging durch den Saal. Eine Frau schluchzte.
Rolf wurde noch bleicher. »Das weiß ich nicht. Ich hatte es früh erfahren, sagte ihm aber nie Bescheid. Und daß sie ihm reinen Wein eingeschenkt hat, wage ich zu bezweifeln. Vielleicht hat er es von Barberini erfahren, aber auch das halte ich für unwahrscheinlich.«
»Sie benutzten Ihr Wissen nicht, um ihm die Trennung von seiner Frau nahezulegen? Ich muß gestehen, ich hätte das wahrscheinlich getan.«
»Ich auch, Sir Oliver«, stieß Rolf hervor. »Aber nur als letztes Mittel. Ich wollte keinen gebrochenen Mann zurückholen. Leider ergab sich dann nie die Gelegenheit dazu, und nach seinem Unfall wäre es zu brutal gewesen. Ob ich ihn später aufgeklärt hätte, kann ich Ihnen nicht sagen. Ich weiß es wirklich nicht.«
»Danke, Graf Lansdorff. Ich habe keine weiteren Fragen an Sie. Aber halten Sie sich bitte noch meinem Kollegen zur Verfügung.«
Harvester schwankte beim Aufstehen leicht, als hätte ihn eine Windböe gebeutelt, und räusperte sich. »Ich… ich nehme an, daß Sie diese ungeheuerliche Geschichte vor Gericht beweisen können, wenn man Sie dazu auffordert, Graf Lansdorff?« Er gab sich alle Mühe um einen forschen, wenn nicht sogar herausfordernden Ton, doch vergeblich. Er war sichtlich genauso entsetzt wie alle anderen im Saal. Als Mann, der seine Frau und seine Töchter mit stiller Hingabe liebte, war er zu betroffen, um seine Empörung zu verbergen.
»Selbstverständlich«, entgegnete Rolf trocken.
»Man wird es unter Umständen von Ihnen verlangen. Natürlich muß ich Rücksprache mit meiner Mandantin nehmen.« Es gab nichts, womit er Rolfs Aussage hätte entkräften können. Und den Bezug zu Zorahs Verleumdung in Frage zu stellen wäre schlichtweg lächerlich gewesen. Niemand hätte hingehört. Harvester war ein anderer Mann, als er sich wieder an seinen Platz setzte.
Der Richter sah Rathbone mit bekümmerter Miene an. »Sir Oliver, so leid es mir tut, Sie sollten den Verdacht mit allen Ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln erhärten. Wir ziehen Graf Lansdorff Zeugnis nicht in Zweifel, aber bislang haben wir lediglich sein Wort. Ich glaube, wir sollten diese Frage schleunigst erledigen.«
Rathbone nickte. »Ich rufe Baron Bernd Ollenheim auf.«
»Baron Bernd Ollenheim!« wiederholte der Gerichtsdiener. Mühsam stand Bernd auf und ging mit schleppenden Schritten durch die Reihen zur freien Fläche vor dem Richterpult und erklomm die Stufen zum Zeugenstand. Dort angekommen, drehte er sich zum Publikum um. Er war kreidebleich. Seine Augen verrieten das ganze Ausmaß seines Kummers. Über Rathbones Kopf hinweg starrte er Gisela voller Entsetzen an.
»Möchten Sie Wasser, Sir?« fragte ihn der Richter sanft. »Ich kann jederzeit nach einem Glas schicken.«
Bernd gab sich einen Ruck. »Nein…, danke, Euer Ehren. Ich habe mich in der Gewalt.«
»Wenn Sie Hilfe benötigen, können Sie darum bitten«, versicherte ihm der Richter.
Rathbone hatte das Gefühl, einen anderen Menschen nackt auszuziehen. Doch er tat es nur, weil diese Frage ein für alle Male beantwortet werden mußte.
»Baron Ollenheim, ich werde Sie nicht lange aufhalten.« Er holte tief Luft. »Es tut mir leid, daß es nötig geworden ist, Sie in den Zeugenstand zu rufen, und möchte Sie nur bitten, Graf Lansdorffs Aussage zu Ihrem Sohn entweder zu bestätigen oder abzustreiten. Ist Gisela Berentz wirklich seine leibliche Mutter?«
Bernd brachte kaum den Mund auf. Seine Kehle war wie zugeschnürt. Nur mit Mühe sog er die Lungen voll. Stockend fing er schließlich an zu sprechen.
Im ganzen Saal herrschte betroffenes Schweigen.
»Ja«, ächzte Bernd. »Sie… ist seine Mutter. Aber meine Frau …, meine Frau hat ihn immer geliebt, nicht nur mir zuliebe, sondern um seiner selbst willen. Keine…« Keuchend holte er Luft. Sein Gesicht war verzerrt. Die Erinnerung an damals und die Sorgen
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