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Die russische Gräfin

Die russische Gräfin

Titel: Die russische Gräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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genug Kriege. Ich kann mir nicht vorstellen, daß er ein solches Risiko eingehen würde. Dieses Verbrechen hatte eher mit Leidenschaft zu tun als mit Profitdenken.«
    Hester hatte zuletzt geschwiegen und versucht, sich die Abläufe ganz konkret vorzustellen. »Wie soll das Ganze überhaupt vor sich gegangen sein?« meldete sie sich nun wieder zu Wort.
    »Nichts ist einfacher«, erwiderte Monk unwirsch. »Der Diener, der das Tablett trägt, wird abgelenkt. Das Eibenkonzentrat hat man schon dabei. Eine Phiole oder ein Fläschchen genügt völlig. Das Gebräu wird in die Rinderbrühe oder etwas anderes gegeben, von dem man weiß, daß es entweder für Friedrich oder für Gisela, je nachdem, wen man vergiften will, bestimmt ist. Friedrich war zu krank, um dieselben Sachen zu essen wie sie. Meistens bekam er nur Sachen wie Tee oder Brei. Sie dagegen aß zwar nicht viel, aber normale Kost, wie das Küchenpersonal und die Diener beschwören können.«
    »Haben Sie schon mal versucht, aus Rinde oder Blättern eine Flüssigkeit zu gewinnen?« fragte Hester skeptisch.
    »Nein, warum? Ich weiß, daß es gekocht werden muß. Die Köchin hat glaubhaft versichert, daß das nicht in der Küche geschehen sein kann. In jedem Zimmer ist ein Kamin, und weil Frühling war, dürfte man noch geheizt haben. Jeder hätte also die ganze Nacht Zeit gehabt, so ein Gift unbemerkt zu brauen. So wird es wohl gewesen sein.« Jetzt erst spürte Monk die Hitze und entfernte sich vom Kamin. »Jeder hätte die Blätter pflücken können. Sie gingen ja alle irgendwann unter den Eiben spazieren. Ich doch genauso. Der Weg bietet sich geradezu an, wenn man frische Luft schnappen will.«
    Hester wollte sich immer noch nicht geschlagen geben.
    »Worin?« fragte sie.
    Beide Männer starrten sie entgeistert an.
    »Na ja, wenn man etwas die halbe Nacht lang über dem Kaminfeuer kochen will, dann braucht man ein Gefäß«, erklärte sie. »Aber in der Küche wurden keine Töpfe vermißt. Oder glauben Sie etwa, jemand hatte einfach so auf Verdacht einen Topf mitgebracht?«
    »Seien Sie nicht albern«, gab Monk wütend zurück. »Wenn er von Anfang an einen Giftmord geplant hätte, dann hätte er das Gift schon dabeigehabt. Einen Topf mitbringen – wie idiotisch!«
    »Darauf wollte ich ja hinaus!« rief Hester entnervt. »Keine von diesen Theorien ergibt einen Sinn.«
    »Sind wir denn sicher, daß das Verbrechen aus einem Impuls heraus begangen wurde?« warf Rathbone dazwischen. »Hätte Rolf nicht für den Fall, daß Friedrich seine Bedingungen ablehnte, nicht einfach Giselas Ermordung einplanen können?«
    »Möglicherweise«, räumte Monk ein.
    »Dann wäre er unfähig!« rief Hester voller Abscheu. »Und ein Dummkopf! Wozu sollte er Gisela töten, wenn völlig offen war, ob Friedrich sich erholen würde und wie seine Antwort ausfallen würde? Er hätte doch bestimmt abgewartet.«
    »Wir haben ja nur Rolfs Wort dafür, daß Friedrich sich noch nicht entschieden hatte«, meinte Monk. »Vielleicht hatte er schon abgelehnt.«
    »Vielleicht hatte Rolf bereits einen anderen Führer eingeplant«, überlegte Hester laut. »Und er brauchte Friedrich vor allem als Märtyrer…«
    Wieder starrten die beiden Männer sie verwirrt an. Aber diesmal schien ihnen zu dämmern, worauf sie hinauswollte.
    Monks Augen weiteten sich. »Sie könnten recht haben. Genau!« Er wandte sich an Rathbone. »Wer wäre nach dem Tod des natürlichen Erben die erste Wahl? Ein heldenhafter Politiker? Eine Gestalt, die alle verehren? Barberini? Brigitte?«
    »Vielleicht… ja, denkbar ist es. Das Zeug dazu hätten wohl alle beide…« Rathbone fuhr sich mit der Hand durch die Haare.
    »O verdammt! Das führt uns zu Zorah Rostova zurück! Ich würde ihr die Kaltblütigkeit zutrauen, eine solche Tat zu begehen, wenn sie sich davon einen Nutzen für ihre Heimat verspräche…, und dann auch noch Gisela an den Galgen zu liefern!«
    Monk stopfte deprimiert die Hände in die Hosentaschen. Ausnahmsweise verzichtete er darauf, Rathbone zu sagen, was er davon hielt, daß er eine solche Mandantin angenommen hatte.
    Ja, als Hester einen mitleidigen Ausdruck in seinen Augen bemerkte, kam es ihr so vor, als hätte er sich sogar den Gedanken an Kritik verboten.
    »Was sagt eigentlich Zorah?« fragte sie. »Ich kenne sie noch gar nicht persönlich. Ist das nicht merkwürdig? Sie ist die Hauptperson, und ich rede ständig nur über sie, ohne sie je aus der Nähe gesehen, geschweige denn mit ihr gesprochen zu

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