Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die russische Gräfin

Die russische Gräfin

Titel: Die russische Gräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
Vom Netzwerk:
wirklich sehr gut – zu gut… Sie steht mitten auf der Bühne, und das genießt sie.«
    »Gut, das mag geheuchelt und widerwärtig sein«, gab er zu bedenken, »aber es ist noch kein Verbrechen. Und selbst das ist nur eine Mutmaßung, ausgehend von Ihrer Wahrnehmung dieser Frau.«
    »Ich weiß, Mr. Monk. Aber ich war doch die ganze Zeit im Haus. Ich sah jeden, der kam und ging. Ich hörte sie reden und beobachtete ihr Mienenspiel. Ich verkehre seit meiner Kindheit mit Höflingen und weiß ganz einfach, was geschehen ist, auch wenn ich keinen Beweis in Händen habe. Gisela hat Friedrich ermordet, weil sie befürchtete, er würde am Ende doch dem Ruf der Pflicht folgen und heimkehren, um den Kampf gegen die Vereinigung anzuführen. Waldo wäre dazu nicht bereit gewesen, und auch sonst niemand. Friedrich mag geglaubt haben, er könne sie mitbringen, aber Gisela war klar, daß die Königin das niemals dulden würde, auch dann nicht, wenn das Land am Rande seiner Auflösung oder eines Krieges stand.«
    »Warum wartete sie dann eine ganze Woche?« fragte Monk.
    »Warum brachte sie ihn nicht schon am Tag des Sturzes um? Das wäre doch sicherer gewesen, und niemand hätte Verdacht geschöpft.«
    »Dazu bestand kein Anlaß, wenn er sowieso gestorben wäre. Und das wurde schließlich allseits befürchtet.«
    »Warum haßt die Königin Gisela so sehr?« bohrte Monk nach. Ihm wollte nicht in den Kopf, daß ein Mensch derart von seinen Rachegefühlen zerfressen sein konnte, daß sie sein Urteil selbst in einer solchen Staatskrise trübten. Monk fragte sich, ob die Königin aufgrund ihres Charakters zu so etwas neigte oder ob Gisela etwas an sich hatte, das extrem leidenschaftliche Gefühle auslöste – bei Friedrich, der Königin und allem Anschein nach auch bei dieser außergewöhnlichen Frau, die ihm in diesem eigenwilligen Raum mit seinem erdfarbenen Wandschmuck gegenübersaß.
    »Ich weiß es nicht.« Zorahs Stimme ließ Überraschung anklingen, und ihr Blick verlor sich, als suche sie etwas in ihrem Innersten. »Darüber habe ich oft gegrübelt, ohne je eine Antwort zu finden.«
    »Haben Sie eine Vorstellung davon, welches Gift Gisela benutzt haben könnte?«
    »Nein. Er starb so plötzlich. Laut Gisela wurde ihm schwindlig und kalt, und dann verfiel er ins Koma. Die Bediensteten bestätigten das und natürlich auch der Arzt.«
    »Eine ganze Reihe von Ursachen sind denkbar«, seufzte Monk. »Er könnte genausogut an inneren Blutungen gestorben sein.«
    »Natürlich«, entgegnete Zorah schroff. »Was haben Sie denn erwartet? Daß es nach einer Vergiftung aussehen würde? Gisela ist egoistisch, geldgierig, eitel und grausam, aber sie ist nicht dumm.« Wut und Trauer verzerrten plötzlich ihr Gesicht, das vorhin noch so schön gewesen war. Man konnte förmlich sehen, daß ihr jäh ein schrecklicher Verlust bewußt geworden war, als sei ihr etwas durch die Finger geglitten, das sie verzweifelt zu fassen suchte.
    Monk erhob sich. »Danke für Ihre offenen Antworten, Gräfin Rostova. Ich kehre jetzt zu Mr. Rathbone zurück, um mit ihm über die weiteren Schritte zu beratschlagen.«
    Erst nachdem er ins Sonnenlicht getreten war, wurde ihm bewußt, daß er Rathbones neuen Titel vergessen hatte.
    »Ich kann nicht verstehen, daß Sie diesen Fall übernommen haben!« sagte Monk heftig, nachdem er Rathbone von seiner Begegnung mit der Gräfin berichtet hatte. Die Kanzlisten waren heimgegangen, und die untergehende Sonne warf einen goldenen Schein durch die Fenster. Draußen drängten sich die Kutschen fast Rad an Rad durch die Straße, die Fahrer schimpften, die erhitzten Pferde waren erschöpft, und in der Luft hing der Geruch von Dung.
    Rathbones Nerven waren aufs äußerste gespannt. Er war sich seiner Fehleinschätzung längst bewußt. »Wollen Sie auf diese Weise zu verstehen geben, daß dieser Fall Ihre Fähigkeiten als Ermittler übersteigt?« fragte er kühl.
    »Wenn ich das so gemeint hätte, dann hätte ich es auch gesagt«, entgegnete Monk und nahm unaufgefordert Platz.
    »Habe ich mich Ihnen gegenüber je auf Umwegen ausgedrückt?«
    Rathbone runzelte die Stirn. »Sie meinen taktvoll? Nein, nie. Verzeihen Sie mir bitte. Meine Frage war nicht angebracht. Werden Sie den Behauptungen nachgehen?«
    Monk geriet etwas aus dem Konzept. So unverblümt hatte er Rathbone noch nie erlebt. »Wie denn? Ich kann doch wohl kaum den Prince of Wales verhören!«
    Rathbone sah ihn verwirrt an. »Was hat denn der Kronprinz damit zu

Weitere Kostenlose Bücher