Die russische Gräfin
den Ruin getrieben hatte. Das war also die »Perle der Adria«, »die Braut der See«, wo der Doge in einem Zeremoniell als Symbol für die Symbiose von Stadt und Meer einen Ehering in die Lagune warf.
Monk hatte aber auch von den Schattenseiten dieser Stadt gehört, deren verbrauchte Schönheit langsam, aber unerbittlich im Wasser versank und auf ihre Zerstörung wartete. Und er wußte, daß sie von der österreichischungarischen Großmacht erobert worden war und er mit österreichischen Beamten und Soldaten zu tun haben würde.
Aber während die Sonne den Himmel und die mit Reliefs verzierten Dächer der Paläste in ein flammendes Rot tauchte und die Rufe der Gondolieri und das Klatschen der Wellen von den Mauern als Echo zurückgeworfen wurden, konnte Monk an nichts anderes denken als an die gespenstische Schönheit dieses Ortes und seine vollkommene Einzigartigkeit.
Ohne daß sie über mehr als das Notwendige gesprochen hätten, legten sie an einem privaten Pier an. Dieser führte sie zum Hintereingang eines kleinen Palastes, dessen Fassade auf einen der Hauptkanäle ging. Schon tauchte vor ihnen ein livrierter Butler auf. Er leuchtete mit seiner Fackel herum, in deren Licht die feuchten Stufen rosa und das dunkle Wasser zum erstenmal fast völlig grün erschien. Der Mann erkannte sie und führte sie eine Steintreppe zu einer angelehnten schmalen Holztür hinauf.
Monk fröstelte vor Müdigkeit, aber er war froh, daß er nun endlich in eine hell erleuchtete, warme Empfangshalle treten durfte, einen großzügigen Raum mit kaltem Marmorboden, in dem man sich aber dank dicker orientalischer Teppiche auf Anhieb wohl fühlte.
Als auch Stephan eingetreten war, rief der Butler nach einem Lakaien, der ihre Koffer holen sollte.
Monk wurde in sein Zimmer gebracht. Es war prunkvoll. An den hohen Wänden hingen aufregende Teppiche, deren ursprünglich leuchtende Farben zu immer noch wunderschönen Erdtönen verblaßt waren. Die tiefen Südfenster gingen auf den Canale Grande, dessen Oberfläche eine Vielzahl von Lichtern als sich kräuselnde Muster auf die Decke reflektierte.
Ohne weiter auf das Bett und die Stühle zu achten, stellte sich Monk gleich vor eins dieser Fenster und beugte sich so weit er konnte über den Steinsims. Noch immer glitten zahllose Barkassen und Gondeln in beiden Richtungen über das Wasser. Am Palast gegenüber beleuchteten Fackeln die mit Schnitzereien und Säulen verzierte Fassade, so daß der Marmor rot und braun wirkte, die Fenster dagegen schwarz. Vielleicht stand jetzt gerade auch jemand so wie er in einem dunklen Zimmer und schaute verzaubert hinaus.
Beim Dinner in einem großen Raum mit Blick auf den Canale Grande zwang Monk sich, wieder an den Grund seines Hierseins zu denken.
»Ich muß mehr über die politischen Allianzen und Interessen der Leute erfahren, die bei den Wellboroughs waren, als Friedrich starb«, wandte er sich an Stephan.
»Das kann ich Ihnen gern sagen, allerdings werden Sie wohl auch auf eigene Beobachtungen angewiesen sein. Meine Worte und erst recht meine Meinungen – haben kaum Beweiskraft.« Stephan lehnte sich zurück und tupfte sich die Lippen ab. Sie hatten soeben den ersten Gang, Seehecht, beendet. »Zum Glück kann ich Sie in den nächsten Tagen zu allen möglichen Anlässen mitnehmen, bei denen Sie die richtigen Leute kennenlernen werden.« Seine Stimme klang optimistisch, doch seine Augen waren von Sorgen verschleiert.
Einmal mehr fragte Monk sich, warum dieser Mann zu Zorah hielt und was er über Friedrichs Tod wußte, da er so viele Mühen auf sich nahm, um zu beweisen, daß es sich um Mord handelte.
War er selbst darin verwickelt oder nur ein Zeuge? Wo stand er politisch? Was gewann oder verlor er, wenn Gisela für schuldig befunden wurde oder Zorah den Prozeß verlor? Vielleicht hatte er, Monk, Stephan sein Vertrauen zu schnell geschenkt. Normalerweise beging er diesen Fehler nicht.
»Danke«, sagte er. »Ich muß Ihnen für Ihren Rat und Ihre Meinung dankbar sein. Sie kennen diese Leute viel besser als ich. Auch wenn Ihre Meinung natürlich keine Beweiskraft hat, wird sie mir in jedem Fall die Richtung weisen und mir helfen, schlagende Beweise zu finden, denen sich dann auch die nicht verschließen können, die es lieber anders sehen möchten.«
Darauf entgegnete Stephan eine ganze Weile lang nichts, sondern sah Monk nur erstaunt, dann neugierig und zuletzt belustigt an. »Selbstverständlich«, sagte er anerkennend.
»Was ist denn Ihrer
Weitere Kostenlose Bücher