Die russische Gräfin
haben soll. Sie hätte dabei nur verlieren können. Niemand glaubt, daß er sie verlassen hätte.
Allerdings halte ich es für möglich, daß anderen an Friedrichs Tod gelegen war, und zwar aus politischen Gründen. Ich denke insbesondere an Klaus von Seidlitz, da er sich von der Vereinigung offenbar persönliche und wirtschaftliche Vorteile verspricht. Friedrich hätte seine Pläne nur gefährdet, hätte er tatsächlich den Kampf gegen das Deutsche Reich angeführt. Andererseits kann sich niemand vorstellen, daß Friedrich ohne Gisela gegangen wäre. Abgesehen davon hätte die Königin sie nie geduldet, selbst wenn sie damit die Unabhängigkeit ihres Landes aufs Spiel setzte. Ich möchte in Erfahrung bringen, warum die Königin selbst nach über zehn Jahren noch einen so unversöhnlichen Haß gegen Gisela hegt, und das, obwohl sie ansonsten, wie mir versichert wurde, ein Vorbild an Pflichtbewußtsein ist und persönliche Gefühle dem Dienst an ihrem Land unterordnet.
Deshalb reise ich nach Felzburg weiter, um dort meine Recherchen fortzuführen. Es läuft womöglich alles darauf hinaus, ob es tatsächlich Pläne gab, Friedrich zurückzuholen oder nicht. Selbstverständlich werde ich Sie alle neuen Erkenntnisse umgehend wissen lassen, mögen sie Zorah nützen oder nicht. Im Augenblick fürchte ich, daß sie nicht den Hauch einer Chance hat.
Was ich über sie gehört habe, spricht nur teilweise zu ihren Gunsten. Sollte es Ihnen gelingen, sie zur Rücknahme ihrer Beschuldigung zu bewegen, wäre das vielleicht der beste Dienst, den Sie ihr als ihr Rechtsbeistand erweisen können. Falls Friedrich ermordet wurde – und das erscheint durchaus möglich –, umfaßt der Kreis der Verdächtigen eine ganze Reihe von Leuten, aber Gisela ist nicht darunter.
Mit den besten Wünschen Ihr Monk Fluchend warf Rathbone den Brief auf den Schreibtisch. Vielleicht war es naiv von ihm gewesen, aber er hatte wirklich gehofft, Monk würde neue Erkenntnisse gewinnen, die Gisela in ein anderes Licht rückten, über einen Liebhaber womöglich, eine leidenschaftliche Affäre mit einem jüngeren Mann, bei der ihr Friedrich im Weg gewesen wäre. Oder daß Friedrich dahintergekommen war und ihr damit gedroht hatte, sie zu verlassen. Aber Monk hatte recht. Wenn überhaupt ein Verbrechen vorlag, dann hatte es einen politischen Hintergrund. Und worauf beruhte denn Zorahs Beschuldigung? Wohl eher auf Eifersucht, aber gewiß nicht auf gesicherten Erkenntnissen. Der einzige Rat, den er ihr ruhigen Gewissens geben konnte, war, ihre Behauptungen zurückzunehmen und sich in aller Form zu entschuldigen. Wenn sie Trauer über Friedrichs Tod geltend machte und Enttäuschung darüber, daß er den Unabhängigkeitskampf nun nicht mehr anführen konnte, regte sich vielleicht sogar Mitleid für sie. Der Schaden ließe sich womöglich noch begrenzen, aber ruiniert wäre sie trotzdem.
»Entschuldigen soll ich mich?« rief Zorah ungläubig, als Rathbone in ihr Zimmer mit dem exotischen Wandschmuck und dem roten Ledersofa geführt wurde. »Niemals!«
Das Wetter war merklich kühler als bei seinem ersten Besuch.
Im Kamin prasselte ein gewaltiges Feuer mit wild tanzenden Flammen, die die Bärenfelle auf dem Boden in rotes Licht tauchten; der ganze Raum hatte etwas merkwürdig Anheimelndes und doch Archaisches an sich.
»Sie haben keine andere vernünftige Alternative!« ereiferte sich Rathbone. »Wir konnten keinerlei Beweise für Ihre Beschuldigung finden. Wir berufen uns auf bloße Annahmen. Selbst wenn wir ein konkretes Motiv nennen könnten, ließe sich damit keine Verteidigung begründen.«
»Dann entscheide ich mich eben für die unvernünftige Alternative«, sagte sie mit fester Stimme. »Muß ich annehmen, daß Sie sich soeben auf Ihre korrekte Weise von meinem Fall distanziert haben?« Sie maß ihn kühl mit einem herausfordernden Blick, der allerdings ihre Enttäuschung nicht zu verbergen vermochte.
Rathbone war verärgert und – wenn er ehrlich war – auch etwas verletzt. »Sollten Sie das wirklich glauben, dann hätten Sie sich getäuscht, Madam. Es ist meine Pflicht, Sie über die Fakten zu informieren und Ihnen meine wohlüberlegte Meinung über deren Bedeutung zu sagen. Danach nehme ich gern Ihre Anweisungen an, vorausgesetzt, es sind keine gesetzeswidrigen Äußerungen oder Handlungen damit verbunden.«
»Wie schrecklich englisch!« In ihrer Miene spiegelte sich Belustigung, gepaart mit Verachtung. »Sie müssen sich ja unmöglich sicher
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