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Die russische Gräfin

Die russische Gräfin

Titel: Die russische Gräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Mund verriet wenig Humor, und sein Auftreten war betont vorsichtig.
    »Guten Tag, Mr. Monk«, sagte er in fast akzentfreiem Englisch.
    »Guten Tag, Sir«, antwortete Monk voller Respekt, sah ihm aber gegen alle Etikette in die Augen.
    »Colonel Eugen sagt mir, daß Sie aus London gekommen sind«, bemerkte Waldo.
    »Ja, Sir, aber die letzten Tage verbrachte ich in Venedig.«
    In Waldos dunklen Augen blitzte Interesse auf. »Ach ja? Ist das ein Zufall, oder verfolgen Sie einen bestimmten Faden unserer unglückseligen jüngsten Geschichte?«
    Monk war verblüfft. Mit soviel Scharfsinn oder Offenheit hatte er nicht gerechnet. Nun, er hielt es für das beste, ehrlich zu antworten. Schließlich hatte er keine Zeit zu verlieren.
    »Ich verfolge einen Faden, Sir. Es liegen ernstzunehmende Hinweise vor, daß Ihr Bruder, Prinz Friedrich, nicht infolge seines Reitunfalls gestorben ist.«
    Waldo lächelte. »Fällt Ihre Bemerkung unter das berühmte britische Understatement?«
    »Ja, Sir.«
    »Und was ist Ihr Interesse daran?«
    »Ein juristisches. Ich arbeite im Dienst der britischen Justiz, bei der Beurteilung…« Monk überlegte fieberhaft, welche Antwort Waldo am wenigsten verletzen würde. Schließlich hätte der Prinz durch Friedrichs Rückkehr sehr viel gewinnen oder verlieren können, und zwar nicht nur, was die Führung des Landes betraf, sondern auch seine weitere Zukunft. Friedrich war für die Unabhängigkeit gewesen, Waldo dagegen setzte offenbar auf die Vereinigung. Er hätte den Thron verlieren können, aber viel leicht war er aufrichtig um die Sicherheit und den Wohlstand seines Volkes besorgt.
    Monk starrte ihn an und suchte nach der richtigen Formulierung. Waldo wartete. Er mußte jetzt schnell antworten. Im allgemeinen Stimmengewirr war weiterhin Musik zu hören, dazu Gelächter und das Klirren von Gläsern.
    Wenn Waldo tatsächlich glaubte, daß Sicherheit für seine Untertanen und Frieden für sein Land in der Vereinigung begründet waren, dann hatte er mehr als jeder andere einen Grund, Friedrich zu töten.
    »… einer Verleumdungsklage«, vollendete Monk seinen Satz. Waldos Augen weiteten sich. Mit dieser Antwort hatte er nicht gerechnet. »Ich verstehe«, sagte er langsam. »Ist das in England eine derart wichtige Angelegenheit?«
    »Wenn die königliche Familie eines anderen Landes betroffen ist,, dann ja, Sir.«
    Monk bemerkte ein Zucken in Waldos Gesicht. Welche Emotion mochte sich nur dahinter verbergen? Er wurde nicht schlau daraus. In ihrer Nähe verbeugte sich ein Soldat in prächtiger Uniform vor einer Dame in Pink.
    »Mein Bruder gab vor über zwölf Jahren seine Pflichten gegenüber seiner Familie auf«, erwiderte Waldo kühl, »und mit ihnen seine Privilegien. Er zog es vor, nicht mehr zu uns zu gehören. Gisela Berentz war nie eine von uns.«
    Monk holte tief Luft. Er hatte wenig zu verlieren. »Sir, falls er ermordet wurde, dann stellt sich die Frage, wer ein solches Verbrechen begehen konnte. Bei der aktuellen politischen Lage ließe sich theoretisch über viele Verdächtige spekulieren, darunter auch diejenigen, die andere Ansichten als er vertraten.«
    »Sie meinen mich.« Waldo sah ihm mit festem Blick in die Augen. Seine Brauen wanderten in die Höhe.
    Monk war bestürzt. »Genauer gesagt, jemand, der Ihre Meinung teilt«, verbesserte er hastig. »Natürlich muß das nicht notwendigerweise ein Mensch mit Ihren profunden Kenntnissen sein. Aber der Beweis wird schwer zu führen sein.«
    »Extrem schwer sogar.« Waldos Augen wurden auf einmal hart, als stünde er schon unter Anklage. »Selbst ein Beweis würde nur diejenigen überzeugen, die überzeugt sein wollen, und müßte einem langen, gewundenen Pfad folgen, bis er schließlich auch den gemeinen Mann erreicht.«
    Monk wechselte das Thema. »Leider können wir den Prozeß nicht verhindern. Wir haben es versucht. Wir haben mit Engelszungen auf Gräfin Rostova eingeredet, ihre Behauptungen wieder zurückzuziehen und sich zu entschuldigen – bislang vergeblich.« Er wußte nicht, ob das stimmte, nahm es aber an. Zumindest ein Rest an Verstand mußte Rathbone noch geblieben sein – und ein gewisser Überlebenswille.
    Zum erstenmal huschte ein Anflug von Belustigung über Waldos Lippen. »Das hätte ich Ihnen gleich sagen können. Zorah hat noch nie etwas zurückgenommen. Oder die Konsequenzen für sich selbst abgewogen. Feigheit kann ihr wirklich niemand nachsagen, nicht einmal ihre Feinde.«
    »Kann es sein, daß sie selbst Friedrich

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