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Die russische Herzogin

Titel: Die russische Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Margitta nun schulterzuckend.
    »Vielen Dank für dein überschwängliches Lob«, antwortete Wera halb wütend, halb verzweifelt. Margittas Anerkennung war ihr wichtig, denn diese hatte die große Gabe, aus jedem Kleidungsstück das Beste zu machen. Selbst die Schürze, die sie trug, sah auf eine gewisse Art chic aus. Wie sie die Schleife nicht im Rücken, sondern seitlich rechts gebunden trug – auf eine solche Idee wäre Wera nie gekommen. Ihre ältliche Zofe übrigens auch nicht, diese richtete ihr Augenmerk allein auf Weras Unterwäsche: Mindestens zwei Unterröcke, ein eng geschnürtes Mieder und Strümpfe selbst bei hochsommerlichen Temperaturen – das war ihrer Ansicht nach damenhaft. Für Wera, die es noch nie gemocht hatte, dass jemand an ihr herumzupfte oder ihr Haar kämmte, war dies nur ein Grund mehr, das tägliche Anziehen, so weit es ging, allein zu bewerkstelligen.
    Wie hübsch Margitta war mit ihren wilden Locken, dem großen Mund und dem immer leicht verschleierten Blick, der so einnehmend wirkte, dass man ihr ständig ins Gesicht schauen musste. Margitta war attraktiv, ohne dass sie sich dafür anstrengen musste, wohingegen sie … Ach, bei ihr war einfach alles verloren, dachte sie in einem Anfall von Verzweiflung.
    Ungelenk kratzte sie sich am Rücken, an dem kleine Schweißperlen hinabrannen. Von wegen, Damen schwitzten nicht! Seit Tagen hatte sich im Stuttgarter Talkessel eine sommerliche Schwüle niedergelassen, die selbst die dicken Schlossmauern durchdrang und die Räume aufheizte. Wera ging zum Fenster ihres Zimmers und öffnete es, doch außer einer müden Brise war nichts zu spüren.
    Margittastopfte sich das letzte Stück Kuchen in den Mund. »Tut mir leid, aber du stellst dich auch ungeschickt an! Ihr seid so reich, deine Tante würde dir jedes Kleid der Welt kaufen. Und Schmuck und schöne Hüte und passende Handschuhe noch dazu. Doch womit kommst du daher? Mit einem schmucklosen dunkelgrünen Etwas. Und dann dieser hochgeschlossene Kragen! Der hätte wunderbar zu deiner ehemaligen Gouvernante gepasst, aber doch nicht zu dir. Warum zeigst du nicht, was du hast? Ich dachte, du willst die Herren verzaubern …« Noch während sie sprach, begann sie in einer von Weras Schrankschubladen zu kramen. »Wir haben keine Zeit, das Kleid ordentlich abzuändern, aber vielleicht kann ich dennoch etwas für dich tun.«
    Schweigend schaute Wera ihrer Freundin zu. Das falsche Kleid ausgesucht – wieder einmal kam sie sich wie ein dummer Trampel vor. Was hätte sie darum gegeben, eine Figur wie Margitta zu haben. Schlank, hochgewachsen, mit langen Beinen wie ein junges Fohlen und mit einer schmalen Taille, die ein Mann bestimmt mit seinen Händen ganz umfassen konnte. Dabei trug Margitta nicht einmal ein Korsett. Wohingegen sie, Wera, so heftig eingeschnürt war, dass ihr kaum Luft zum Atmen blieb. Nicht, dass es bei ihrer mittelgroßen Statur wirklich half: Ihre Hüften wirkten immer noch ausladend. Ihre Beine waren robust, ihre Waden kräftig und alles andere als elegant. Dennoch, ihre Beine mochte Wera, denn jeden Zentimeter Wadenumfang hatte sie sich in den Weinbergen rund um Stuttgart, auf der Schwäbischen Alb und bei Ausflügen rund um den Bodensee mühselig erwandert. Auch ihre Oberweite war nicht gerade die eines jungen Mädchens, sondern eher fraulich. Wera gefielen ihre Brüste trotzdem, sie stellte sich vor, wie sie an je einer Brust ein Kind nähren würde. Sie und Zwillinge – warum nicht?
    Der Gedanke munterte sie so auf, dass einen Moment lang die Sorge um ihre Garderobe vergessen war.
    »Ich bin halt keine große Schönheit, und wahrscheinlich werde ich auch nie eine werden«, sagte sie. »Aber irgendwo auf dieser Welt wird es schon einen Herrn geben, der meine Kartoffelstampferbeine hübsch findet, oder was denkst du?«
    »Wartenur ab – wenn ich mit dir fertig bin, findet dich jeder schön. Als Erstes brauchst du ein hübsches Dekolleté«, sagte Margitta, die endlich wieder aus den Tiefen von Weras Schrank auftauchte, ein Sammelsurium an Materialien im Arm: Spitzenbordüren, ein paar Schmuckstücke von Wera, ein Stück eines Hutschleiers. Mit flinker Hand, Stecknadeln und einem dünnen Fädchen heftete sie den Ausschnitt von Weras Kleid so um, dass er größer und wie ein Herz aussah. Dort, wo der Ausschnitt seinen tiefsten Punkt hatte, setzte sie eine herzförmige Brosche hin. Über Weras rechtes Handgelenk streifte sie drei Armreife auf einmal, um das linke schlang sie

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