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Die russische Herzogin

Titel: Die russische Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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einen ganzen Strang Perlen, die bei der kleinsten Bewegung, die Wera machte, leise klimperten. Ein schönes Geräusch, dachte Wera bei sich.
    »Ich komme mir vor wie ein geschmückter Weihnachtsbaum – überall funkelt es.«
    »Und wenn schon«, antwortete Margitta gelassen. »Bei dem vielen Schmuck schaut wenigstens niemand mehr auf dein langweiliges Kleid! Man muss immer das Beste aus dem machen, was man hat.«
    Das Beste aus etwas machen – diese Tugend sollte ich eigentlich auch längst beherrschen, ärgerte sich Wera. Sie wollte Margittas Werk im Spiegel betrachten, doch alles, was sie erkennen konnte, war ihr eigener verschwommener Schatten. Leider sah sie in die Ferne ziemlich schlecht. Aber sich deswegen durch eine Brille verschandeln lassen, wo sie sowieso nicht gerade die Hübscheste war? Nie und nimmer! Angestrengt blinzelnd trat sie näher an den Spiegel heran. Ihre etwas eng stehenden Augen und die schmalen Lippen mochten ja noch angehen, auch ihre Haut war klar und ohne jegliche Unreinheiten. Dafür waren ihre Haare eine einzige Zumutung! Wo andere junge Damen neckische Gesichtsfransen hatten oder sich reizende Ringellocken kringelten, krauste sich bei ihr ein wildes Durcheinander. Hundert Bürstenstriche? Schon zwei oder drei waren die reinste Tortur. Es war Margitta gewesen, die Wera eine Frisur vorschlug, mit der die Krause gebändigt werden konnte: aus der Stirn herausgekämmt, eng am Kopf anliegend, gehalten von einembreiten Haarband oder Reif. Erst am Hinterkopf erlaubte sie ihren Haaren die Freiheit, sich in wilden Locken zu kringeln.
    Mit einer Grimasse strich Wera ihr Haarband glatt.
    »Ich weiß nicht. Dieser große Ausschnitt … Wirkt er nicht billig? Wenn die Königin mich so sieht, schickt sie mich gleich wieder in mein Zimmer.«
    »Dann trage halt ein Schultertuch, bis du an deinem Platz im Festsaal sitzt. Vor allen anderen wird die Königin dir schon keine Szene machen.« Margitta grinste. »Außerdem – ein bisschen ›billig‹ schadet bei euresgleichen nicht, glaube mir. Männer sind nun einmal so. Von unsresgleichen hingegen wünschen sie sich, dass wir damenhaft daherkommen, zum Beispiel so!« Mit kleinen Trippelschritten ahmte die Tochter der Waschfrau den Gang der Hofdamen in ihren hochhackigen, engen Stiefelchen nach.
    »Und eine echte Dame soll wie eine Marktfrau wirken?«, fragte Wera kichernd, während sie den übertriebenen Augenaufschlag versuchte, mit dem manche Marktfrauen ihre Waren anboten.
    »So ist es! Warte nur ab, deinen Soldaten werden die Augen überlaufen vor Wonne.«
    Vielleicht war an Margittas Behauptung etwas dran, dachte Wera, während sie sich erneut im Spiegel betrachtete. Sie sah auf jeden Fall interessanter aus als vorher. Sogar eine Spur verwegen. Aber das war ja kein Fehler, oder? Ruckartig drehte sie sich wieder um und ergriff die Hände ihrer Freundin.
    »Ach Margitta, warum wirst du nicht doch meine Zofe? Dein Rat ist mir wirklich lieb und teuer.« Schon mehr als einmal hatte sie ihr den Vorschlag unterbreitet. Warum Margitta immer wieder ablehnte, verstand sie nicht, ein solches Arrangement hätte doch für sie beide nur Vorteile gehabt.
    Auch jetzt schüttelte die Freundin nur lachend den Kopf. »Ich dich von früh bis spät bedienen? Davon kannst du nachts träumen! Außerdem …« Ihr Lachen verflüchtigte sich, ihre Miene wurde ernst und gewichtig. »Ich habe sowieso nicht vor, noch lange zu arbeiten. Du bist nicht die Einzige, die es auf einen Ehemann abgesehen hat …«
    »Was?Wer? Sag bloß, es gibt einen ernsthaften Verehrer?«
    »Vielleicht«, sagte Margitta geheimnisvoll. Dann zog sie Wera an den Toilettentisch. »Aber für solche Reden haben wir jetzt keine Zeit. Wir müssen uns schließlich dringend um deine Haare kümmern!«
    *
    Karl war ein mürrischer Mann, der oft schlechte Laune hatte. Olly, der schlechte Laune eher fremd war, hatte sich im Laufe der Zeit angewöhnt, Karl mit allen erdenklichen Mitteln aufzuheitern: Sie schmückte seinen Schreibtisch eigenhändig mit Blumen. Sie schnitt ihm amüsante Zeitungsberichte aus. Oder sie sammelte kleine Anekdoten und Geschichten, die sie selbst erlebt hatte oder die ihr zugetragen worden waren, um ihn damit zu erfreuen. Wenn das alles nichts half, ignorierte sie seine Launen und tat so, als wäre alles in bester Ordnung.
    Der preußische König und sein Kanzler als Hohlkörper aus Zucker – das würde Karl allerdings bestimmt erheitern, dachte Olly. Als sie den Gang in Richtung

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