Die russische Herzogin
mir zuhörst!« Die Fingerspitzen auf der Platte seines Schreibtisches aufgestützt, beugte sie sich zu ihm hinab in der Art eines Lehrers, der einen ungehorsamen Schüler beäugt.
»Außerhalb dieses Zimmers braucht niemand zu wissen, wie es umunsere Ehe bestellt ist. In der Öffentlichkeit werden wir weiterhin als liebendes Königspaar auftreten.« Die Ironie, die aus ihren Worten triefte, ließ sie innerlich aufheulen. Doch sie fuhr unbeirrt fort: »Du wirst mich auf Händen tragen, dir meine Vorschläge zu jedem Thema anhören, so ich welche zu machen gedenke. Wenn es um Wera geht, werden wir sowieso jede Entscheidung gemeinsam treffen, das sind wir dem Kind schuldig. Wera soll nicht unter unserem Versagen als Ehepaar leiden, ich denke, das siehst du genau wie ich.«
Sie wartete Karls Nicken kaum ab, sondern sprach weiter: »Außerdem wirst du meine Wohltätigkeiten zukünftig in einem wesentlich höheren Maße unterstützen als bisher – die Zeiten, in denen ich ständig privates Geld ausgebe, sind vorbei.«
»Aber –«
»Kein Aber! Das sind meine Bedingungen dafür, dass ich dich zukünftig in Ruhe lassen werde. Du brauchst nicht mehr zu versuchen, ›meinen Ansprüchen zu genügen‹, du brauchst nicht einmal mehr meine Gegenwart zu ertragen, es sei denn, es ist aufgrund unseres Amtes unumgänglich. Mit wem du jedoch privat zu Abend isst, ob du halbe Nächte lang mit irgendwelchen Herrenfreunden oder Damen deine widerlichen Zigaretten rauchst, wann und mit wem du dir deine Zeit vertreibst – all das interessiert mich nicht mehr. Genauso wenig hat allerdings mein Leben dich zu interessieren.«
Karl raufte sich die lichten Haare. »Das alles kommt sehr plötzlich. Deine Forderungen …«
Olly winkte erneut ab. Wie sehr hatte sie diesen Mann satt! Warum war ihr das nicht früher aufgefallen? Allein der weinerliche Ton in seiner Stimme brachte ihre Nackenhaare dazu, sich zu sträuben.
»Nichts davon ist verhandelbar. Bedenke, die Frau, die du seit Jahren verschmähst, ist eine Romanow. Mein Bruder ist Zar von Russland, mein Onkel ist der deutsche Kaiser – es bedürfte nicht vieler Worte meinerseits, dich in der Welt der großen Politik in einem schlechten Lichte dastehen zu lassen. Nichts liegt mir ferner, Gottbehüte!« Noch während sie sprach, wurde sie von einem schlechten Gewissen geschüttelt. Wie konnte sie sich auf eine solch niedere Ebene hinablassen und derartige Drohungen ausstoßen? Im selben Moment fand sie jedoch Gefallen an der fast verängstigten Miene, die Karl aufsetzte.
»Genug der Worte. Ich denke, du hast verstanden, was ich dir sagen will: Solange du dich diskret verhältst, kannst du zukünftig tun und lassen, was du willst, mein Lieber«, sagte sie und wandte sich zum Gehen um. Die Klinke schon in der Hand, warf sie einen letzten Blick auf ihren Mann.
»Nur wage es nicht, mir noch ein einziges Mal die Ohren vollzujammern mit deiner Wehleidigkeit, deinen Komplexen und deinen zahlreichen tatsächlichen und eingebildeten Leiden. Und falls dich einer deiner regelmäßigen Anfälle überkommt, bei denen du glaubst, die ganze Welt habe sich gegen dich, Karl von Württemberg, verschworen, dann wird fortan dein Adjutant oder sonst einer deiner Herrenfreunde Trost für dich finden. Zu mir brauchst du mit deinem Gejammer jedenfalls nicht mehr zu kommen.«
Ein wenig vor Aufregung zitternd, aber nicht unzufrieden mit ihrem Auftritt, machte sich Olly auf den Weg in ihre Räume. Sie war gerade an der Haupttreppe angekommen, als ihr Evelyn entgegenkam. Die Hofdame sah müde und ängstlich aus.
»Und – wie hat sich Eure Hoheit bezüglich St. Petersburg entschieden?«
Olly schaute ihre langjährige Freundin liebevoll an.
»Wir bleiben hier.«
»Wirklich?« Eves Miene zeigte Erleichterung und Ungläubigkeit zugleich. »Heißt das, ich darf die restlichen gepackten Koffer wieder auspacken?«
Lächelnd nahm Olly Eves Hand.
»Um die Koffer sollen sich die Zofen kümmern. Du, meine Liebe, tust heute einfach das, wonach dir der Sinn steht. Dasselbe werde ich auch tun. Heute und für den Rest meines Lebens!«
Inden nächsten Monaten trafen Wera, Eugen und Wily immer wieder aufeinander. Hofbälle, Gartenfeste in der Villa Berg oder der Wilhelma – wann immer eine Festlichkeit anstand, nötigte Wera Olly, die beiden jungen Offiziere einzuladen und natürlich die Sitzordnung so zu gestalten, dass sie mit Eugen und Wily am selben Tisch saß.
Katharina, die glaubte, diese Sitzordnung
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