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Die russische Herzogin

Titel: Die russische Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Socken, für die sich Wera überschwänglich bedankte.
    Das war eine Seite, die er bisher an ihr nicht kannte. Diese bodenständige junge Frau, der Eitelkeiten völlig fremd schienen, hatte nichts gemein mit der Königstochter, die er auf Festen und Bällen getroffen hatte, behängt mit Schmuck, gekleidet in die aufwendigsten Roben, die man sich vorstellen konnte. Eugen war verwirrt und besorgt zugleich. In seiner jetzigen Situation wäre es ihm lieber gewesen, Wera hätte das langweilige, ereignislose Leben einer Adelsdame geführt, das sich vor allem innerhalb der Schlossmauern abspielte.
    »Am besten bleibst du die nächste Zeit im Schloss. Sollte es wirklich jemand auf dich abgesehen haben, sind Kutschfahrten über abgelegene Straßen und Spaziergänge auf einsamen Wanderwegen nicht gerade ratsam«, hatte er Wera gleich zu Beginn empfohlen.
    »Ich kann doch nicht wochenlang eingesperrt vor mich hin siechen! Ich muss mich bewegen, frische Luft bekommen, sonst werdeich verrückt. Außerdem – hast du nicht gesagt, mir könne in deiner Gegenwart nichts geschehen?« Lachend hatte sie sich ihren grünen Jägermantel übergeworfen. Ihm und den Hofdamen, die sie begleiten sollten, war nichts anderes übriggeblieben, als es ihr gleichzutun. Wera wusste genau, was sie wollte – auch das hatte Eugen inzwischen gelernt. So wie heute.
    Der Württemberg. Die Grabkapelle. Und das bei dem Wetter, bei dem sich nicht einmal die Winzer und Bauern blicken ließen. Sehr viel einsamer ging es nun wirklich nicht.
    Eugen blinzelte, um die Regentropfen, die ihm trotz breiter Hutkrempe in die Augen tropften, abzuschütteln. Wenn ihm dasselbe nur auch mit dem galligen Gefühl in seiner Magengegend gelingen würde.
    Zum wiederholten Male schaute er sich um und sah direkt hinter sich Evelyn von Massenbach und Freifrau Clothilde von Roeder, die vor kurzem zu Weras Hofdame ernannt worden war. Unglaublich! Beiden Damen schien weder der steile Aufstieg noch das Wetter viel auszumachen, jedenfalls lachten und redeten sie unentwegt.
    Eugen brach einen Zweig ab und begann ihn zu zerrupfen. Unter Hofdamen hatte er sich auch etwas anderes vorgestellt. Zimperlicher, verweichlicht und keinesfalls so draufgängerisch – im wahrsten Sinne des Wortes!
    Kurz vor der nächsten Wegbiegung blieb er abrupt stehen. Hatte er nicht gerade ein Rascheln gehört? Und da! Waren das nicht näher kommende Huftritte? Krampfhaft und mit angehaltenem Atem lauschte Eugen.
    »Was ist? Ist dir etwa die Puste ausgegangen? Das kommt davon, wenn man seine ganze Zeit in der staubigen Atmosphäre eines Theaters verbringt.« Spöttisch versetzte Wera ihm einen kleinen Schubs in die Seite.
    Er gab nur ein unwirsches Brummen von sich.
    Bevor sie die Kutsche in Cannstatt verlassen hatten, hatte er sich eingehend umgeschaut. Er glaubte, dass ihnen niemand von Stuttgart aus gefolgt war. Auch am Kurbad, wo sie die Kutsche zurückgelassenhatten, lungerten keine düsteren Gestalten herum. Dennoch konnte sich Eugen des Gefühls nicht erwehren, beobachtet zu werden. Er kannte dieses Gefühl gut, dieses Prickeln zwischen den Schulterblättern, das begleitet wurde von einem leisen Unbehagen in der Magengegend. In Frankreich, in den Schützengräben und bei der Bewachung des Munitionszuges hatte ihm dieses Gefühl mehr als einmal das Leben gerettet.
    Unstet raste sein Blick hin und her. Diese verflixten Weinberge! Inmitten der bunt belaubten Reben war es für Verfolger ein Leichtes, sich zu verstecken.
    Er war so in seine düsteren Gedanken verstrickt, dass er nicht mitbekam, wie Wera plötzlich vor ihm stehen blieb.
    »Verzeihung«, murmelte er verlegen, als er in sie hineingerannt war.
    Sie rieb sich die Schulter und lächelte.
    »Schau, ist das nicht wunderschön?« Fast andächtig strich sie über den knorrigen Ast einer Rebe. »Was für eine skurrile Verschnörkelung. Und dann die vielen Schnecken! Karl behauptet, Weinbergschnecken seien eine Delikatesse, aber ich finde sie ehrlich gesagt ein bisschen eklig. Da, nimm!« Lachend nahm sie eines der unzähligen Tiere in die Hand und warf es spielerisch nach ihm.
    Eugen fing das Schneckenhaus, von dessen Bewohner gerade mal die zwei Fühler zu sehen waren, mit der rechten Hand auf. Es wog erstaunlich schwer in seiner Hand und roch nach Erde und nassen Blättern.
    »Du bist wirklich verrückt«, sagte er und musste plötzlich lachen. Wie fröhlich Wera war, wie glücklich sie strahlte! Verflixt, warum konnte nicht auch er den Marsch an

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