Die russische Herzogin
Eugen von Württemberg, Rittmeister im 1 . Württembergischen Ulanenregiment König Karl Nr. 19 , war ein Mann, der Frauen gefiel. Auch unter seinen Kameraden genoss er ein gewisses Ansehen, wobei es genügend Soldaten gab, die Abstand zu ihm wahrten. Alle wussten: Mit Eugen konnte man seinen Spaß haben. Doch genauso schnell konnte man durch ihn in irgendeine Bredouille geraten.
Herzog Eugen trank gern und vertrug Schnaps und Bier stets gut. Im Gegensatz zu so manchem Kameraden, der nach den wilden Trinkspielen, zu denen Eugen sie aufforderte, ohnmächtig wurde und nicht mehr Herr seiner Sinne war. Am Spieltisch war Eugen ebenfalls immer ganz vorn dabei, ganz gleich, ob es um Karten oder die Würfel ging. Auch bei den heimlichen Pferderennen, welche die Offiziere abhielten, war Herzog Eugen großzügig mit seinen Einsätzen. Wer nicht ebenso rasch seinen Geldsack öffnete, wurde von ihm als Memme verspottet. Dank seiner Beziehung zum Prinzen Wilhelm genoss er diverse Vergünstigungen und war durchaus gewillt, diese zu teilen, allerdings nur mit den Kameraden, die ihm in der Kaserne nützliche Dienste erweisen konnten. Die anderen, zu denen beispielsweise auch Lutz von Basten gehörte, ließ er links liegen.
Dass nun ausgerechnet dieser ebenso gutaussehende wie von sich eingenommeneOffizier Leibwächter der Königstochter Wera wurde, verstand im Ludwigsburger Regiment niemand. Eugen, das Kindermädchen? Eugen, der Aufpasser beim Kaffeekränzchen? Wie ging das zusammen? Wollte er darauf achten, dass die Damen ihren Portwein nicht verschütteten?, fragten die Kameraden spöttelnd, als er in der Kaserne seine Sachen zusammenpackte, um für unbestimmte Zeit nach Stuttgart zu ziehen. Oder würde er Weras Rocksäume heben, damit diese nur ja nicht die staubigen Straßen der Hauptstadt berührten?
Es gäbe Attentatsdrohungen. Jemand habe es auf Leib und Leben der Königin und ihrer Tochter abgesehen, und da man ihm vertraue, sei er auserkoren, eine solche Schandtat zu verhindern, erklärte Eugen mit dem ihm eigenen Selbstbewusstsein. Außerdem sei er ganz froh, eine Zeitlang der Enge der Kaserne, die der in den Köpfen der Lästermäuler glich, entfliehen zu können.
Ein Attentat auf ein Mädchen mit verstrubbelten Haaren, das meist daherkam wie ein Wanderbursche? Anstatt beeindruckt zu sein, waren die Soldaten bei dieser seltsamen Vorstellung eher erheitert. Da könne Eugen seine Waffe ja gleich zwischen Butterbrot und Wasserflasche im Wanderrucksack verstecken!
Eugen nahm den Spott seiner Kameraden zähneknirschend hin. An ihrer Stelle hätte er auch gefrotzelt. Doch er hatte seine Gründe, sich als Weras Leibwache anzubieten. Und diese Gründe wogen weitaus schwerer als die kameradschaftlichen Lästereien.
Von wegen Portweintrinken, dachte Eugen, als er wenige Tage später mit Wera den Württemberg bei Bad Cannstatt erklomm. Es war ein kalter Herbsttag, an dem ein leichter Regen das wenige Licht auffraß, so dass der Himmel hauptsächlich aus Schatten bestand. Auf dem schmalen Weg, der zwischen den Weinbergen zur Grabkapelle, der letzten Ruhestätte von Königin Katharina und König Wilhelm, hinaufführte, stand in den tieferen Rinnen das Regenwasser der Nacht. Bei jedem Schritt hinterließen ihre Schuhe schmatzende Geräusche, an manchen Stellen waren die Pfützen so groß, dass man einen beherzten Sprung darüber wagen musste.
Beidiesem Herbstwetter wäre eine Kaffeetafel weiß Gott keine schlechte Idee gewesen. Eugen schnaubte und zog seinen Filzhut tiefer in die Stirn. Aber nein, Wera wollte unbedingt hinauf zur Grabkapelle, um am Sarg ihrer russischen Urahnin Katharina Pawlowna Romanow für die Sicherheit ihrer Familie in Russland und Griechenland zu beten.
Ein Ausflug von vielen, das hatte Eugen schnell mitbekommen. Wera war ständig unterwegs. Besonders gern ging sie in den Weinbergen rund um Degerloch und Rotenberg wandern, aber auch die Pferdezucht in Hohenheim gehörte zu ihren Ausflugszielen. Wohin sie kam, überall kannte man sie, überall wurde sie, die russische Großfürstin, freudig begrüßt. Der Degerlocher Winzer, an dessen Hof sie vor ein paar Tagen vorbeigekommen waren, hatte sogar eilfertig eine Flasche mit neuem Wein gebracht. Eugen hatte den Eindruck, als habe der Mann auf Weras Kommen gewartet. Genau wie der Stallmeister des Gestüts Hohenheim, der Wera ohne große Vorreden voller Stolz seinen neuen Wurf Jagdhunde zeigte. Die Frau des Stallmeisters schenkte ihr ein Paar selbstgestrickte
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