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Die russische Herzogin

Titel: Die russische Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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nichts.
    »Und nun? Was willst du tun, damit der größte Halsabschneider Stuttgarts dir von der Pelle rückt?«
    »Was soll ich denn tun? Sag’s du mir, du Schlaumeier«, fuhr Eugen auf. »Soll ich Etty etwa aus der Wohnung werfen? Du müsstest mal sehen, wie glücklich sie ist. ›Mein Puppenstübchen‹ nennt sie ihr Heim. Oder soll ich zu ihr gehen und den Schmuck zurückfordern? Das wäre mir viel zu peinlich, lieber lasse ich mich grün und blau prügeln. Etty würde mir den Schmuck sicher gern überlassen, wenn sie wüsste, wie die Dinge stehen. Aber wer in der Not verkauft – ganz gleich was –, bekommt nur einen Bruchteil des Wertes ausgezahlt, das ist altbekannt.«
    Wily nahm einen Schluck vom tiefroten Wein. Dass Eugen diese Möglichkeit überhaupt in Erwägung zog, zeigte den Grad seiner Verzweiflung an.
    »Ich kann dir etwas leihen«, sagte er. »Vielleicht vermagst du bei den Männern damit ein wenig Zeit zu schinden. Aber wegen des großen Rests musst du dich an jemand anderen wenden. Können deine Eltern dir nicht helfen?«
    »Die haben doch auch nichts. Wenn mein Vater wüsste, was ich getan habe, würde er mich ohrfeigen für meine Dummheit. Aber Geldbekäme ich von ihm gewiss nicht«, war Eugens mürrische Antwort. »Ach verflixt, wo bin ich da bloß hineingeraten! Als die zwei Burschen heute Mittag auftauchten, ist mir fast das Herz stehengeblieben. Dabei hätte der Tag so schön sein können. Wann warst du das letzte Mal auf dem Württemberg? Ein ganz besonderer Ort, Wera meinte –«
    »Jetzt lenk nicht ab«, unterbrach Wily ihn. »Soll ich meinen Onkel fragen, ob er dir das Geld leiht?«
    Eugen schüttelte heftig mit dem Kopf. »Bloß nicht. Ich will nicht in der Schuld des Königs stehen. Eigentlich will ich in niemandes Schuld stehen. Das ist es ja, was mir so zuwider ist. Außerdem wäre es mir peinlich, wenn Wera oder die Königin davon erführen. Am Hof halten mich doch seit heute alle für einen Helden, der gemeingefährliche Attentäter in die Flucht schlägt! Gemeingefährlich – immerhin das stimmt«, sagte er bitter.
    »Wera …«, sagte Wily gedehnt.
    »Ich soll sie um Geld fragen? Nie und nimmer!« Eugen lachte fast hysterisch auf.
    »Du magst sie sehr, nicht wahr?«
    »Was soll das jetzt? Natürlich mag ich Wera. Jeder mag sie, sie ist schließlich ›eine schöne Seele‹, wie du es nennst«, murmelte Eugen. Er kippte sein Glas in einem Zug hinunter. »Ich hau ab. Nach Amerika oder nach Italien! Auf jeden Fall weit weg, wo mich niemand findet. Und ich komme erst zurück, wenn ich mein Glück gemacht habe und ein reicher Mann bin. Als Soldat finde ich überall eine Anstellung.« Vielleicht war es der Wein, vielleicht waren es seine Worte, mit denen er sich selbst Mut zusprach, jedenfalls wies Eugens bleiche Miene wieder ein wenig Farbe auf. Theatralisch klopfte er Wily auf die Schulter.
    »Danke, mein Freund, dass du mir zugehört hast.«
    Er war schon halb aufgestanden, als Wily ihn am Handgelenk packte.
    »Den Schwanz einziehen und sich wie ein geprügelter Hund davonschleichen, das könnte dir so passen«, sagte er. »Hör dir lieber meinen Vorschlag an, denn mit ihm könntest du viele Fliegen mit nureiner Klappe schlagen. Deine Geldsorgen wärst du mit einem Schlag los. Du würdest deine Mutter glücklich machen. Mich übrigens auch, aber das steht auf einem ganz anderen Blatt. Alles wäre äußerst ehrenhaft, was man von deinen Fluchtplänen nicht behaupten kann. Und an den Kragen könnte dir auch niemand mehr gehen, du wärst vielmehr ›unantastbar‹ …«
    Widerwillig setzte sich Eugen wieder.
    »Das wäre ja die reinste Hexerei! Wie soll das bitte schön gehen?«
    Wily grinste nur.

26. KAPITEL
    E twas unbeholfen steckte Karl den Schlüssel ins Schloss des Tores, des Haupteingangs zur Wilhelma. Es kam selten vor, dass er den botanischen Garten, den sein Vater vor vielen Jahren am Fuße des Rosensteinparks hatte anlegen lassen, besuchte. Meist wurde die Gartenanlage mit ihren vielen Pavillons und Gewächshäusern für Sommerfeste genutzt, die Olly organisierte. Dann wurde bei der Maurischen Villa musiziert, Sekt getrunken, getanzt und gefeiert. Wenn Abertausende von Kerzen glühten und sich die Töne eines Streichquartetts mit dem sanften Murmeln der Wasserfontänen vereinten, wenn die Wege mit duftenden Blüten bestreut und die goldenen arabischen Lettern, die »Wilhelma« bedeuteten, auf Hochglanz poliert waren, dann fühlte sich jeder Gast aus nah und fern

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