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Die russische Herzogin

Titel: Die russische Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Licht, –
    das mir entgegen leuchtet
    aus blauem Himmelszelt
    und zeigt den Weg nach oben,
    den Liebe mir erhellt!
    Aus: »Liederblüthen«, Gedichte von
Wera, Herzogin von Württemberg
    Insich versunken rückte Wera den Bilderrahmen mit dem Gedicht zurecht, der neben einem großen Strauß roter Rosen auf dem Sarkophag prangte. Daneben stand eine Replik ihres Hochzeitsbildes, das Original hing noch immer in ihrer Stadtwohnung.
    … strahlt die heiße Liebe im ewig reinen Licht …
    Mit einem traurigen Lächeln wandte sie sich zu Olly um, die ein paar Schritte hinter ihr stand.
    »Das Dichten ist mir leichtgefallen, die Worte sind mir nur so zugeflogen – dafür habe ich Tage damit verbracht, jeden einzelnen Buchstaben kunstvoll mit schwarzer Tusche auf diesen wertvollen Bogen Büttenpapier aufzubringen. Was meinst du? Hätte Eugen mein Werk gefallen?«
    Olly trat nach vorn und legte eine einzelne Rose neben dem Gedicht ab. Das lange Stehen in der kalten Gruft hatte ihre Beine müde und schwer gemacht, sie sehnte sich danach, ins Warme zu kommen und sich für eine Weile hinzusetzen.
    »Eugen wäre überglücklich, er hat deine Gedichte sehr geschätzt.« Ihre Worte wurden dumpf von den cremefarbenen Steinwänden zurückgeworfen. Während draußen auf den Straßen der Stadt das kratzende Geräusch vieler Schaufeln und Schippen davon zeugte, dass die Bürger wieder einmal damit beschäftigt waren, den über Nacht gefallenen Schnee von den Trottoiren zu kratzen, herrschte in der Gruft, die unter der königlichen Schlosskirche lag, Totenstille.
    Wera runzelte kurz die Stirn, dann nickte sie.
    »Ja, Eugen mochte es, wenn ich mich mit künstlerischen Dingen beschäftigte.« Innig streichelte sie mit ihrer rechten Hand über den Sarg, dann kniete sie sich zum wiederholten Male nieder, um zu beten.
    Lange schaute Olly ihr zu, dann ging sie auf Zehenspitzen hinüber zu Klein-Egis Sarkophag. Ein Kranz mit roten Rosen lag darauf, ein paar Blütenköpfe waren schon welk. Egis silberne Rassel lag poliert daneben. An seinem Grab hatte Wera zuerst gebetet.
    Lieber Gott, wie konntest du? Erst der Sohn, nun der Ehemann.
    Auf einmal verspürte Olly eine Traurigkeit, die sie hoffnungslos machte und wie gelähmt.
    EinesTages würde auch sie hier liegen. Neben Klein-Egi. Und Eugen. Und neben Karl. Wer von ihnen würde wohl als Erster gehen müssen – Karl oder sie? Was würde dann von ihnen übrig bleiben? Hatte sie ihr Leben gottgefällig genug gelebt?
    Ein Schauer fuhr über Ollys Rücken, es gelang ihr nicht, die düsteren Gedanken abzuschütteln. Vielleicht sollte sie verfügen, dass man ihren Leichnam nach St. Petersburg brachte?
    Wera starrte immer noch versonnen auf ihr Gedicht, die Hände wie zum Gebet gefaltet.
    Auf einmal hatte Olly das Gefühl, es keine Minute länger hier unten auszuhalten. Noch lebten sie, alle beide! Mit leisen Schritten ging sie zu der jungen Witwe, tippte ihr vorsichtig auf den Arm.
    »Wera, Liebes, lass uns gehen. Willst du nicht mal wieder Margitta besuchen? Nein, ich habe eine bessere Idee: Sollen wir zusammen Wily und Marie einen Besuch abstatten? Du hast die beiden seit ihrer Hochzeit nicht mehr gesehen. Wilys Gattin ist so eine reizende Person …« Dass Wera nach Eugens Tod jeglichen Kontakt zu ihren Bekannten und Freunden abgebrochen hatte, gefiel Olly nicht. Alle hätten der jungen Witwe in der schweren Zeit gern zur Seite gestanden, aber Wera verkroch sich meistens hier unten in der Gruft.
    »Marie von Waldeck-Pyrmont, die zukünftige Königin von Württemberg! Soll ich ihr dazu gratulieren?«, erwiderte Wera heftig. »Im letzten November haben die zwei sich verlobt, keine drei Monate später waren sie verheiratet. Findest du nicht, dass das etwas schnell ging? Ehrlich gesagt fand ich diesen Schritt so kurz nach Eugens Tod ziemlich pietätlos. Aber nun, da mein Eugen als zweiter potentieller Thronfolger nicht mehr am Leben ist, scheint Wily es sehr eilig zu haben, seine Anwartschaft auf den Thron mit einer Frau und eigenen Nachkömmlingen zu sichern.«
    Olly glaubte nicht richtig zu hören. »Du bist ungerecht, solche Gedanken liegen Wily ferner als jedem anderen. Die zwei lieben sich, warum hätten sie mit ihrer Heirat noch länger warten sollen? Dass das Fest im Residenzschloss Arolsen stattfand, geschah allein aus Rücksichtnahme auf deine besondere … Situation. Oderglaubst du, Wily fand es besonders reizvoll, Hunderte Kilometer entfernt von Stuttgart in Maries Heimat zu feiern und

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