Die russische Herzogin
flüsternd zurück. »Es ist nur so … Die ›Krankheit‹ ist in Wahrheit ein Duell gewesen. Sollten wir diese Todesursache benennen, könnte das unangenehme Folgen für das württembergische Königshaus nach sich ziehen. Andererseits tun wir uns mit einer falschen Angabe auch schwer. Sie verstehen … unser Dilemma?«
»EinDuell?« Olly glaubte nicht richtig zu hören. Ihr wurde mit einem Mal so schwindlig, dass sie sich an der Schreibtischkante festhalten musste. »Eugen hat … Aber warum? Wieso? Ist das nicht verboten?«
Der Kommandeur nickte unglücklich, dann fuhr er im Flüsterton fort: »Natürlich ist es das! Aber die Herren Offiziere folgen ihrem eigenen Ehrenkodex. Es ging um die Ehefrau des –«
»Wie bitte?«, unterbrach Olly ihn entsetzt. Eugen hatte eine Liaison gehabt? Hoffentlich hatte Wera das nicht gehört.
»Heute ist der Jahrestag unserer Verlobung«, ertönte es in diesem Moment.
Fast erschrocken starrten Olly und der Kommandeur Wera an. Sie lächelte.
»Olly, weißt du noch? Heute vor drei Jahren haben Eugen und ich uns offiziell verlobt. Es war ein eisiger Tag, Stuttgart war mit Raureif überzogen. Trotzdem haben Eugen und ich es uns nicht nehmen lassen, in einer offenen Kutsche durch die ganze Stadt zu fahren. Wir wollten alle teilhaben lassen an unserem Glück!«
Olly spürte, wie sich ihre Kehle zuschnürte. Nicht weinen, nicht jetzt!, befahl sie sich. Während sie nach tröstenden Worten rang, stand Wera mit den müden Bewegungen einer alten Frau auf. Als sie sprach, klang ihre Stimme jedoch sehr bestimmt.
»Ich möchte, dass die Sterbeurkunde meines Mannes bis heute Mittag ausgestellt ist. Welche Todesursache Sie darin nennen, ist mir gleichgültig. Herzog Eugen von Württemberg war ein ehrenhafter Mann, genau wie seine Vorfahren. Ein wahrhaft großer Soldat. Ich kann an der Tatsache, dass er sich duelliert hat, nichts Unehrenhaftes erkennen. Dass es dabei um mich ging, verleiht der ganzen Angelegenheit allerdings große Tragik, genau wie der Zeitpunkt: Drei Jahre nach unserer Verlobung setzte er sich erneut mit seinem Leben für mich ein, mehr noch, er gab sein Leben für mich hin.«
»Aber …« Dass es um dich ging, wissen wir doch gar nicht! Wie kommst du bloß auf so etwas?, wollte Olly erwidern. »Wäre es nicht angeraten, weitere Erkundigungen einzuziehen und –«
»KeinAber«, unterbrach Wera sie. »Ich bin es Eugen schuldig, der Wahrheit tapfer in die Augen zu sehen. Du weißt doch, wie die Menschen sind, Olly. Ich kann mir gut vorstellen, wie bei einem Offiziersessen ein Wort das andere ergab. Vielleicht wurde Eugen um die Heirat mit mir, einer russischen Großfürstin, beneidet? Oder es ging um die schlichte Tatsache, dass ich eine Romanow bin. Seit jeher werden wir Romanows beneidet und angefeindet. Olly, erinnerst du dich noch an den Brief mit den Morddrohungen im Herbst achtzehnhundertdreiundsiebzig? Auch damals war es Eugen, der mich auf dem Württemberg auf Leben und Tod verteidigt hat. Erst nach diesem Attentatsversuch ist uns beiden das Ausmaß unserer Liebe klargeworden. Eugen und ich – wir waren von Gott füreinander bestimmt.« Sie nickte in einer seltsam entrückten Weise.
Weras Tapferkeit war für Olly zu viel. Bevor sie etwas dagegen tun konnte, rannen Tränen ihre Wangen hinab. Ihr armes, armes Kind! Mit dreiundzwanzig Jahren war ihre liebe, herzensgute Wera Witwe … Und Eugen, ihr geliebter Eugen war tot.
»Nicht weinen, Olly. Tapfer müssen wir sein, das hätte Eugen so gewollt.«
Olly spürte Weras Umarmung und erwiderte sie. Für einen langen Moment hielten sie sich nur fest. Erst das Räuspern des Kommandeurs ließ sie auseinanderfahren.
»Ich werde dafür sorgen, dass sämtliche Dokumente schnellstmöglich ausgestellt werden. Auch was die Überführung angeht, werde ich alles in die Wege leiten.«
Wera schaute den Kommandeur dankbar an. »Tun Sie das. Ich möchte meinen Mann so bald wie möglich mit nach Hause nehmen. Er soll ein so großes und würdevolles Begräbnis bekommen, wie Stuttgart noch keines gesehen hat. Ein Denkmal werde ich dem wundervollsten aller Männer setzen!«
32. KAPITEL
Vor seinem Grabe
Vor deinem stillen Grabe
Steh ich gedankenschwer
Und dich – den treu ich liebte –
Seh ich jetzt nimmermehr.
Hier unter dieser Schichte
Von Erde liegst du nun
Und sollst im engen Sarge
Bis zum Erwachen ruh’n!
Die vielgeliebten Züge
Des Theuren seh ich nicht,
doch strahlt die heiße Liebe
im ewig reinen
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