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Die russische Herzogin

Titel: Die russische Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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heute auch Ausgang«, fügte sie angriffslustig hinzu.
    »Aber …« Wera biss sich auf die Oberlippe. Woher kommt diese unglaubliche Armut? Fehlt es an Geld?, wollte sie fragen. Stattdessen sagte sie stockend: »Wo ist dein Mann? Und wo sind deine beiden Großen?«
    Margitta lachte rau. »Frag mich was Einfacheres. Keine Ahnung, wo sich die Kinder herumtreiben. Wo Josef ist, kann ich dir hingegen sagen.« Sie schaute auf die Wand und tat so, als lese sie an einer imaginären Uhr die Zeit ab. »Am späten Vormittag ist er immer im ›Fuchsen‹, nachmittags dann in der ›Traube‹. Mein Mann hat viele Termine , musst du wissen.« Ihre Worte trieften nur so vor Ironie.
    »Aber –«, wiederholte Wera, wurde jedoch sogleich von Margitta unterbrochen.
    »Bistdu gekommen, um mir Vorwürfe zu machen? Was bildest du dir eigentlich ein, Herzogin Wera von Württemberg? Nichts weißt du von meinem Leben, seit Ewigkeiten hast du keine Zeit mehr für mich gehabt. Sonst wüsstest du, dass ich meine Arbeit im Schloss verloren habe, weil die da in den ersten Wochen ständig krank war.« Sie nickte in einer wenig liebevollen Art in Richtung des Säuglings auf ihrem Arm. »Wer hätte sich um das Kind kümmern sollen? Mein lieber Mann etwa? Er hätte die Möglichkeit dazu gehabt, denn zum Arbeiten ist er sich ja die meiste Zeit zu fein. Nur zum Saufen – dafür ist er sich nicht zu gut!« Margitta schaute Wera herausfordernd an. »Was willst du noch wissen? Ob er mir im Haushalt hilft oder die Kinder hütet, während ich mir ein Stockwerk tiefer meine Hände von der Seifenlauge zerfressen lasse? Schau dich um, dann kennst du die Antwort. Keinen Handstrich tut er, nach mehr als zehn Stunden an den Seifenbottichen muss ich schauen, dass die Kinder etwas zu essen kriegen und nicht völlig verlottern. Meine eigene Wäsche? Zu der komme ich höchstens alle zwei Wochen. Ich sehne den Tag herbei, an dem Maria groß genug ist, um mir zu helfen, aber bis dahin dauert es noch ein paar Jährchen.« Margitta schloss die Augen, als könne sie so vor dem eigenen Elend flüchten.
    »Du machst die ganze Arbeit und bringst das Geld nach Hause und Josef verjubelt es? Warum lässt du dir das gefallen?« Wera war  fassungslos. Dem Tunichtgut hätte sie längst den Marsch geblasen!
    Margitta lachte bitter. »Blöd bin ich, daran liegt es. Ich habe den Kerl schon öfter rausgeworfen – jedes Mal kam er heulend angekrochen und versprach mir, dass alles besser wird. Und ich verliebte dumme Kuh hab’s ihm immer geglaubt, auch wenn sich nie was änderte.« Abrupt wurde ihr magerer Leib von einem Heulkrampf geschüttelt, achtlos ließ sie den Säugling auf ihren Schoß hinabgleiten.
    Eilig nahm Wera der Freundin das Kind ab, das verwundert zwischen den Frauen hin und her schaute.
    »Ich tue mein Bestes, glaube mir«, schluchzte Margitta. »Ich rackeremich ab, bis ich fast daran verrecke. Aber es ist nicht genug. Ist es nie gewesen …«
    Als Wera im Wintergarten der Villa eintraf, wurde sie von ohrenbetäubendem Lärm empfangen.
    »Elsa hat ein Tamburin bekommen und Olga eine kleine Trommel. Karl ist der Ansicht, mit der musischen Erziehung von Kindern könne man nicht früh genug beginnen.« Olly lachte. »Grundsätzlich stimme ich ihm ja zu, aber dass es dabei so laut zugeht, hätte ich nicht für möglich gehalten.«
    Der Anblick ihrer beiden Töchter, die ihre Musikinstrumente voller Inbrunst bearbeiteten, ließ Weras Herz überlaufen vor Glück. Ihre Zwillinge! Ihre wunderschönen, lieben, einzigartigen Kinder.
    »Mama?« Es war Elsa, die mit ihren blauen Augen Wera zuerst erspähte. Auf strammen Beinchen kam sie angerannt. Statt wie sonst die Kinder auf Armeslänge von sich zu halten, ging Wera nun in die Hocke. Mit ausgebreiteten Armen empfing sie erst Elsa, dann Olga. Fest drückte sie beide Mädchen an sich, genoss den Kontakt zu den warmen, robusten Körpern. Feuchte Schmatzer landeten auf ihren Wangen, die Kinder lachten, und Wera lachte mit ihnen.
    Ein Zuviel an Liebe war gefährlich? Und was war mit zu wenig Liebe? Welche Auswirkungen das mit sich brachte, hatte sie gerade erst gesehen.
    »Meine kleinen Engel, meine Lieben …« War sie auch nur einen Deut besser als die arme Freundin? Auch sie hatte ihre Kinder abgeschoben. Eine Rabenmutter – das war sie. Wenn Eugen das wüsste. Er hatte ihr zwar immer vorgeworfen, sie würde die Kleinen zu sehr verwöhnen, aber dass sie lieber reiten ging und stundenlang seinen Sarkophag mit

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