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Die russische Herzogin

Titel: Die russische Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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zu sitzen schien. Die Villa. Sie hatte wahrlich eine besondere Ausstrahlung. Oder lag es einfach nur am Wonnemonat Mai, dass sie sich so frohgemut fühlte?
    Wera hatte sich gerade an ihren Schreibtisch gesetzt, um sich an einem neuen Gedicht zu versuchen, als ein Dienstmädchen einen Besucher meldete: Lutz von Basten.
    Erfreut, den alten Freund zu sehen, lud Wera ihn ein, eine Tasse Kaffee mit ihr zu trinken.
    »Heute ruft die Pflicht, aber ab morgen habe ich eine regimentsfreie Woche. Und da das Wetter so schön ist, dachte ich, wir zwei könnten wieder einmal eine Wanderung zusammen unternehmen. So wie früher!«
    »Wandern gehen?« Wera runzelte konsterniert die Stirn. Eigentlichhatte sie angenommen, Lutz würde eine Einladung des Ulanenregiments überbringen.
    »Ja, wandern. Das ist die Fortbewegungsart, bei der man in großen Schritten vorankommt, indem man einen Fuß vor den andern setzt.« Er lächelte sie an.
    »Ich weiß nicht recht … Ich war schon lange nicht mehr wandern, ob meine Konstitution das zulässt? Außerdem – wenn uns dabei jemand sieht! Am Ende kommen die Leute noch auf dumme Gedanken.«
    »Früher haben Sie nicht so viel Wert auf die Gedanken der Leute gegeben«, sagte Lutz mit hochgezogenen Brauen. »Ich hole Sie und Ihre Hofdame morgen Vormittag um elf Uhr ab.«
    Bevor Wera etwas erwidern konnte, setzte der Offizier seine Mütze auf und verabschiedete sich.
    Sicher ist sicher, dachte sich Wera und verpflichtete nicht nur ihre eigene Hofdame Clothilde, sondern zusätzlich noch eine von Ollys Hofdamen, sie bei der Wanderung mit Lutz zu begleiten. Niemand sollte glauben, sie wären auf dem Weg zu einem Tête-à-Tête. Immerhin war sie die Witwe von Herzog Eugen und musste auf ihren Ruf achten.
    Kaum hatten sie die Stadt verlassen, setzten sich die beiden Damen auf eine Bank und ließen Wera und Lutz allein weitermarschieren.
    »Ist es nicht unglaublich?« Wera zeigte auf einen in voller Blüte stehenden Apfelbaum. »Die Natur scheint geradezu explodieren zu wollen. Alles wirkt so kraftvoll, energiegeladen! Und ich fühle mich auch so lebendig wie lange nicht mehr.« Tief atmete sie die Luft ein, die erfüllt war vom Duft der blühenden Obstbäume und vom gelblichen Blütenstaub, der sich wie feinste Gaze auf ihre Kleider legte und in ihrem Haar verfing.
    »Wollen wir uns setzen?«, fragte Lutz und zeigte auf eine Bank. »Erinnern Sie sich noch? Hier haben wir einst unsere allererste Brotzeit verspeist.«
    Wera verzog das Gesicht. »Sag doch nicht immer Sie zu mir, ich kommemir dabei schrecklich alt und matronenhaft vor.« Mit bloßen Händen wischte sie die Wasserpfützen fort, die der Regen der letzten Nacht auf der Sitzbank hinterlassen hatte. Sie hatte vergessen, welch herrliche Aussicht ins Stuttgarter Tal man von hier aus genoss. Dankend nahm sie das Wurstbrot entgegen, das Lutz aus seinem Rucksack geholt hatte, und biss herzhaft hinein.
    »Es schmeckt so gut wie damals«, sagte sie kauend und kam sich einen Moment lang wie das freche Mädchen vor, das sie einst gewesen war.
    »Ich habe auch Äpfel dabei, sie sind köstlich süß.«
    Sinnend betrachte Wera den runzligen Apfel, der am Ende des wiederkehrenden Zyklus stand, der mit den blühenden Obstbäumen begann. Ein Gottesgeschenk.
    Auf einmal hatte sie das Gefühl, als sei sie nach einem viel zu langen Winterschlaf endlich aufgewacht. Sie lebte noch! Während ihr armer Eugen –
    »Dafür, dass Sie nach eigener Aussage selten wandern, sind Sie noch immer gut zu Fuß, liebe Herzogin«, sagte Lutz und unterbrach ihre Grübeleien.
    Täuschte sie sich oder klang er ein wenig erstaunt?
    »Es ist ja nicht so, als würde ich die ganze Zeit nur in meinem Salon bei Kaffee und Kuchen sitzen«, sagte Wera, die plötzlich das Gefühl hatte, sich verteidigen zu müssen. »Die vielen Reitstunden tragen auch zur körperlichen Ertüchtigung bei.« Unwillkürlich schaute sie an sich hinab. Sie war längst nicht mehr so drahtig wie einst. Kein Wunder, dass Lutz an ihrer Kondition zweifelte. Sie würde dringend weniger essen müssen! Abnehmen, so wie Wily. Wenn er das schaffte, musste sie es auch hinbekommen, oder? Vielleicht, indem sie auf die legendären Mehlspeisen ihres Kochs verzichtete? Ein Kompott oder ein Fruchtgelee würde ihr stattdessen bestimmt auch gut schmecken. Und neue Kleider brauchte sie ebenfalls, alles, was sie besaß, wirkte abgetragen und verbraucht. Neue Wanderstiefel würde sie sich zudem anfertigen lassen! Die alten

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