Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die russische Herzogin

Titel: Die russische Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
Vom Netzwerk:
Bienenwachs polierte, statt mit den Mädchen Musik zu machen oder im Garten der Villa mit ihnen Verstecken zu spielen – das hätte ihm gewiss nicht gefallen.
    Ohne die Kleinen loszulassen, suchte Wera über deren Köpfe hinweg Blickkontakt zu Olly.
    »Abjetzt wird alles anders. Ich versprech’s«, sagte sie. Und Olly nickte.
    »Diese Tristesse! Diese offensichtliche Armut! Dabei ist Margitta solch eine begnadete Schneiderin. Aber scheinbar reicht diese Gabe allein für ein menschenwürdiges Leben nicht aus. Ach Olly, ich musste so sehr mit den Tränen kämpfen«, endete Wera ihren Bericht über den Besuch bei Margitta.
    Während Karl mit den Zwillingen und deren Kindermädchen zum kleinen Teich im Park gegangen war, um Enten zu füttern, saßen sie und Olly bei einer Tasse Kaffee.
    »Margitta und ich, wir hatten so viele Träume. Was ist nur daraus geworden …«
    »Träume! Damit gibt man sich am besten nicht allzu lange ab.« Ollys Lachen klang ungewohnt harsch, so dass Wera erstaunt aufschaute.
    Als Olly jedoch schwieg, sagte sie: »Dabei wollte Margitta nie wie ihre eigene Mutter werden. Dass die sich so wenig um die Kinder kümmerte, hat sie regelrecht verabscheut. Und nun wiederholt sich die Geschichte auf traurige Weise.«
    »Das alte Lied: überforderte Mütter, Ehemänner, die sich vor ihrer Verantwortung drücken. Und die Kinder sind die Leidtragenden«, sagte Olly bitter.
    »Wie du das sagst! Als ob schon alles verloren sei«, erwiderte Wera ärgerlich. Noch während sie sprach, schaute sie sich im Wintergarten um. Auf der kleinen Anrichte neben der Tür entdeckte sie, was sie suchte. Mit einem Schreibblock und Bleistift kam sie an den Tisch zurück.
    »Ich muss Margittas Familie dringend helfen. Dort fehlt es wirklich an allem, ich weiß gar nicht, womit ich meine Liste beginnen soll. Du hast doch Erfahrung in solchen Dingen, hilfst du mir?« Fragend schaute sie ihre Mutter an. »Was ist, warum zögerst du?«
    »Ach Wera«, erwiderte Olly seufzend. »Es ist wirklich lieb von dir, dass du Margitta helfen willst. Und ich bin überglücklich, dich endlich wieder voller Elan zu erleben. Das Letzte, was ich möchte, ist,dir diesen Elan wieder zu nehmen. Aber mit ein paar Körben Lebensmittel und einem Stapel neuer Kleidungsstücke ist es in Fällen wie diesem leider nicht getan.«
    Wera runzelte die Stirn. »Was willst du mir damit sagen? Soll ich etwa dabei zusehen, wie meine Freundin vor die Hunde geht?« Genau das habe ich monatelang getan, dachte sie schuldbewusst. Schlimmer noch, sie hatte weg gesehen. Nun würde sie sich gewiss nicht davon abhalten lassen, endlich zu helfen.
    »Ich weiß, du willst es nicht hören, aber im Grunde müsste man dafür sorgen, dass Margittas Kinder in ein Heim kommen, in dem sie versorgt werden. Und Margitta selbst wäre in einer Beschäftigungsanstalt gut aufgehoben. Dort könnte sie endlich lernen, sich an Arbeitszeiten zu halten und sich einem geregelten Tagesrhythmus unterzuordnen. Dass sie ihren Posten in unserer Wäschekammer verloren hat, kam ja nicht von ungefähr, sie war schon seit jeher unzuverlässig. Und diesen Tunichtgut von Ehemann –«
    »Du willst Margitta die Kinder wegnehmen? Das ist doch nicht dein Ernst! Mehr fällt dir nicht ein?«, unterbrach Wera ihre Mutter fassungslos.
    »Dir etwa? Denk doch nur einen Moment lang darüber nach, was passieren wird: Das Essen, das du Margitta zukommen lässt, wird bald gegessen sein, die neuen Kleider verkommen, weil niemand Zeit hat, sie zu waschen und zu flicken, und nach kürzester Zeit ist alles wieder beim Alten. Ist das die Art von effektiver Hilfe, die du dir für deine beste Freundin vorstellst?«
    Wera schluckte. So gesehen, hatte Olly recht, aber sie würde sich hüten, das laut zu sagen.
    »Dann muss es einen anderen Weg geben«, sagte sie resolut. »Olly, du stehst doch so vielen wohltätigen Organisationen vor – welcher Verein kümmert sich um arme Kinder und ihre Mütter?« In Weras Hinterkopf regte sich eine Erinnerung. Es war vor vielen Jahren gewesen. Sie war erst kurz zuvor in Stuttgart angekommen. Olly war auf dem Weg in ein Kinderheim, sie hatte sich aufgedrängt und war mitgekommen. Richtig! Ihrer neuen Gouvernante hatte sie an diesem Tag entfliehen wollen. Der Besuch im Kinderheimhatte sie erschreckt, die ganze Atmosphäre dort war furchtbar beklemmend. Die Kinder von den Müttern zu trennen wäre der einzig gangbare Weg, hatte Olly damals behauptet. Hatte sich in all den Jahren

Weitere Kostenlose Bücher