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Die russische Herzogin

Titel: Die russische Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Graf von Beroldingen, Wera erkannte ihn. Er wurde flankiert von zwei jungen Burschen auf kleinen Füchsen, Pferden mit rotem Fell. Vielleicht Wily und sein Freund, der schöne Eugen? Weras Herz machte aus lauter Vorfreude einen Hüpfer. Beide hatte sie schon lange nicht mehr gesehen. Nicht, dass sie auf den großspurigen Wily besonders viel Wert gelegt hätte, aber der schöne Eugen gefiel ihr sehr. Im nächsten Moment bogen die jungen Reiter um die Ecke, und Wera erkannte, dass es sich um gewöhnliche Soldaten handelte. Schade, Wilys und Eugens Anwesenheit hätte ihrem großen Moment der Freude noch eine Zuckerkruste verpasst.
    »Seltsam, ich sehe nur die eine Kutsche. Dass Papa mit so kleinem Gefolge reist, ist eigentlich nicht seine Art«, flüsterte Wera Eugen zu.
    »Darf ich vorstellen – Mathilde Öchsele und Helene Trupow!« Mit einer ausholenden Handbewegung, die Wera an einen Zirkusdirektor erinnerte, der seine Raubkatzen vorführte, zeigte ihre Tante auf die beiden Damen, die gerade ungelenk aus der Kutsche stiegen.
    WerasBlick irrte umher.
    »Ich verstehe nicht …« Wo waren ihre Eltern? Sie drückte Eugen von Montenegro enger an ihre Brust. Ihr Atem raste, als wäre sie die langen Gänge des Kronprinzenpalais entlanggerannt. Die Begrüßungsfloskeln der Umstehenden, Graf Beroldingens Pferd, das wieherte, das Klappern der Schuhe der beiden Damen – die Töne vermengten sich in Weras Kopf zu einem unangenehmen, stetig lauter werdenden Durcheinander. Zu laut. Zu viele Worte. Am liebsten hätte sie sich die Ohren zugehalten. Noch lieber wäre sie fortgerannt – pfeilgeschwind, so dass niemand sie am Ärmel packen konnte! Sie hatte noch nicht zu Ende gedacht, als sie Evelyns Hand in ihrem Rücken spürte. Cäsar Graf von Beroldingen, der inzwischen von seinem Ross abgestiegen war, trat wie auf ein geheimes Stichwort hin an ihre linke Seite. Das Getöse in Weras Kopf wurde noch lauter, ihre Beklemmung wuchs.
    Olly lächelte ihr hoheitliches Lächeln.
    »Beide Damen sind extra für dich aus St. Petersburg angereist. Nun hast du nicht nur eine eigene Kammerfrau, die dir beim An- und Ausziehen hilft und dir die Haare frisiert, sondern auch noch eine eigene Gouvernante. Na, was sagst du zu der Überraschung?«
    Mit aufgerissenen Augen schaute Wera die beiden Frauen an, die gerade einen tiefen Knicks vor Olly machten. Die linke war uralt und dick, die rechte unwesentlich jünger, dafür umso magerer. Ihr Mund hatte die Form eines umgekehrten Hufeisens. Ein Hufeisen so aufzuhängen, dass die Enden nach unten schauten, bringt Unglück, hatte Jurij, der Kutscher ihres Vaters, Wera einst erklärt. Wo waren ihre Eltern? Wem gehörte das viele Gepäck, das ausgeladen wurde?
    »Du bist also Wera Konstantinowa.« Bevor Wera reagieren konnte, schnappte die magere Frau nach ihrer Hand. Ihre Umklammerung war eisig. So eisig wie das aufgesetzte Lächeln, mit dem sie Wera bedachte. Ihr Blick war unverhohlen abschätzig, auch ein Hauch Erstaunen lag darin.
    »Wir zwei werden ganz wundervoll miteinander auskommen«, sagtesie und drückte Weras Hand noch fester. Mit Mühe unterdrückte Wera einen Schmerzensschrei.
    »Lassen Sie mich los! Sie sind steinalt und haben einen schlechten Lebenswandel, das sieht man an Ihrer runzligen Hand. Mit Ihnen will ich gar nicht auskommen!«, schrie sie stattdessen und duckte sich weg wie ein Tier, das nicht eingefangen werden will. Hilfesuchend schaute sie in die Runde.
    »Wo sind meine Eltern? Wann holt Papa mich ab?«
    »Wera, was habe ich vorhin zu dir gesagt?« Evelyns Atem zischte heiß in ihrem Ohr.
    Olly gab ihrem Leibkutscher, der ein wenig abseits mit dem Coupé wartete, ein Zeichen, woraufhin er die beiden Rappen mit einem Schnalzen in Bewegung brachte.
    »Du kannst mich doch jetzt nicht alleinlassen!«, rief Wera entsetzt und klammerte sich an ihre Tante.
    »Aber Kind, du bist doch nicht allein«, sagte Olly hilflos lächelnd. »Eve ist bei dir. Und die Damen aus St. Petersburg auch.«
    Die Gouvernante aus St. Petersburg schaute stirnrunzelnd zu, wie Olly versuchte, Weras Hand von ihrem Ärmel zu lösen. Der Stoff gab einen leisen ratschenden Laut von sich.
    »Ich will mit dir gehen!« Es kam selten vor, dass Wera weinte, aber nun schossen bittere Tränen aus ihren Augen. Wie durch einen Schleier sah sie, dass ihre Tante und Evelyn einen Blick tauschten. Evelyn zuckte mit den Schultern.
    »Dann fahr halt mit«, hörte Wera ihre Tante mit resigniertem Unterton

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