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Die russische Herzogin

Titel: Die russische Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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frische Kerzen steckten. In der Luft hing der Geruch von Zimt, er stammte von dem parfümierten Tee, den eines der Dienstmädchen in einer Kanne samt Stövchen gebracht hatte. »Den trinkt das Kind so gern«, hatte sie hinzugefügt, während sie Helene Trupow neugierig beäugt hatte. Parfümierter Tee für ein Kind! Helene schnaubte.
    Alles in allem fand sie ihre neue Umgebung ganz hübsch, wenn auch nicht so opulent und verschwenderisch, wie sie es aus den Salons ihrer früheren St. Petersburger Arbeitgeber gewohnt war.
    Es war ihr erster Arbeitstag. Und was sie nicht für möglich gehalten hatte, war eingetroffen: Sie freute sich auf ihre neue Aufgabe. Dass sie gestern, am Tag ihrer Ankunft, noch eine Schonfrist erhalten hatte, war ihr gut bekommen. Sie hatte sich in aller Ruhe in ihren zwei Zimmern einrichten können. Dann hatte sie sich aufgemacht, um mit allen möglichen Personen zu sprechen: ein Plausch mit der Köchin und mit einem der Serviermädchen. Ein Schwatz mitOllys erster Kammerzofe. Sogar der Wäscherin, der sie auf der Treppe begegnet war, hatte sie ein paar Fragen gestellt, sehr dezent natürlich. Dass auch in Stuttgart Französisch als offizielle Hofsprache galt, war eine große Erleichterung. Madame Trupow konnte zwar ein paar Brocken Deutsch, doch für ein längeres Gespräch wären ihre Kenntnisse nicht ausreichend gewesen. Mit Olgas Hofdame Evelyn von Massenbach hatte sie ebenfalls parliert. Die junge Baronin schien der Kronprinzessin besonders nahezustehen, allerdings war sie auch besonders zugeknöpft. Während die anderen Hofbediensteten sich mit Schreckensgeschichten über Wera Konstantinowa gegenseitig überboten, hatte Baronin von Massenbach lediglich gesagt: »Das Kind ist ein wenig ungewöhnlich.«
    Ungewöhnlich – so konnte man es nennen. Helene Trupow riss sich aus ihren Gedanken und wandte sich wieder Wera zu.
    »Du wirst allmorgendlich um acht Uhr geweckt. Frau Öchsele wird sich um deine Körperpflege und das Ankleiden kümmern, ich werde jedoch in den ersten Wochen anwesend sein und alles kontrollieren.« Mit einem angeekelten Gesichtsausdruck hob sie einen von Weras Zöpfen an. »Wie unregelmäßig sie geflochten sind – hässlich ist das.«
    »Aber ich will nicht –«
    »Kein Aber!«, unterbrach die Gouvernante ihren Schützling scharf. »Ein Kind hat zu schweigen, bis es von einem Erwachsenen zum Sprechen aufgefordert wird. Hast du das verstanden?« Wie seltsam das Mädchen den Kopf bewegte – war das nun als Nicken oder als verneinendes Kopfschütteln zu verstehen? Helene Trupow beschloss gönnerhaft, Ersteres darin zu sehen.
    »Sitz ordentlich!« Mit spitzem Zeigefinger stieß sie Wera in den Rücken. Entlang der Wirbelsäule gab es Punkte, die besonders empfindlich und daher auch besonders geeignet waren, um ein Kind an eine aufrechte Haltung zu erinnern.
    »Die Hände auf den Tisch. Flach! Dort bleiben sie, bis ich etwas anderes sage.« Mit einem gewissen Amüsement registrierte Helene Trupow den giftigen Blick, den Wera ihr zuwarf. Dass sich ein Erwachsenerdurchsetzte, war für dieses Kind offenbar eine neue Erfahrung. Nun, es würde nicht die einzige bleiben.
    »Ich werde dir nun den Tagesplan erörtern, nach dem du dich zukünftig zu richten hast. S trikt zu richten hast! Herumstreunen durchs Palais oder Ausflüge mit deiner Tante sind darin nicht vorgesehen. Heute fällt dein Unterricht allerdings erst einmal aus. Ich werde zuerst die sogenannten Pläne überarbeiten müssen, nach denen deine Lehrer dich bisher unterrichtet haben.«
    »Oh, wie fein.« Wera sprang auf. Sie war mit ihrer Puppe schon halb zur Tür hinaus, als Helene sie grob am Arm packte.
    »Hiergeblieben! Dass dein Unterricht ausfällt, heißt nicht, dass du heute nichts lernen wirst, ganz im Gegenteil …« Bevor Wera wusste, wie ihr geschah, entriss Helene ihr die Puppe und legte sie oben auf den Bücherschrank. »Heute Abend bekommst du deine Puppe zurück, für ein halbes Stündchen, und das auch nur, wenn du bis dahin brav bist.«
    »Aber Eugen von Montenegro und ich machen alles gemeinsam!« Schon kletterte das Kind auf einen Stuhl und war im Begriff, die Puppe vom Schrank zu ziehen.
    Helene glaubte nicht richtig zu sehen. Während sie das Mädchen von dem Stuhl herunterzog, spürte sie ein altbekanntes Brennen in ihrer Brust, von dem sie geglaubt hatte, es längst vernichtet zu haben. Das Brennen dehnte sich in ihre Arme aus und weiter in ihre Hände, bis sie zu kribbeln begannen. Jetzt

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