Die russische Herzogin
bin ihm zufällig über den Weg gelaufen, als er aus dem Schloss kam, mehr nicht«, erwiderte Karl mit gereiztem Unterton. »Am besten reden wir nicht mehr darüber. Es ist ja weiß Gott nichts Neues, dass der König weitreichende Entscheidungen lieber mit Friedrich Hackländer bespricht anstatt mit mir, dem Thronfolger.« Ein gleichgültiges Schulterzucken begleitete seine Worte.
Friedrich Hackländer! Als ob der Tag nicht schon genügend Plagen bereitgehalten hätte, dachte Olly bitter.
»Wehe, er wagt es, sich erneut zwischen uns zu drängen«, murmelte sie so leise, dass Evelyn sie nicht hören konnte.
»Deine Aversion gegen Friedrich ist wirklich kindisch.« Karl nahm seinen Spazierstock, stieß ihn einmal wie zur Bekräftigung auf den Boden, dann verabschiedete er sich.
Kaum war er fort, sprang Olly hektisch auf. Der Mantel, den sie bei ihrer Ausfahrt getragen hatte, lag nachlässig über der Lehne eines Salonstuhls, über einem zweiten hing ihr Schal. Sie schnappte beide Stücke und hielt sie Evelyn hin.
»Zieh dich an, schnell! Du musst Karl nach. Ich will endlich wissen,mit wem er sich trifft. Diese ständigen Spaziergänge, für wie dumm hält er mich eigentlich?«
»Aber Hoheit, ich –«
»Keine Einwände, bitte. Los, beeil dich!«
*
Als Evelyn aus dem Palais trat, hoffte sie sehnsüchtig, den Prinzen nicht mehr zu entdecken. Doch obwohl sie regelrecht getrödelt hatte, entdeckte sie keine fünfzig Meter vor sich den Prinzen und Wilhelm von Spitzemberg. Gemächlich schritten sie dahin, grüßten hier, wechselten da ein paar Worte – einmal ließ sich Karl von seinem Adjutanten ein Taschentuch reichen und schnäuzte sich ausgiebig.
Evelyn verzog angewidert das Gesicht. Wann immer die Männer anhielten, musste auch sie innehalten und so tun, als suchte sie angestrengt in ihrer Manteltasche nach etwas. Welchen Grund für ihre Anwesenheit auf der Straße würde sie anführen, wenn einer der Männer sie entdeckte? Sie kam sich schrecklich schäbig vor, als sie Karl und seinen Adjutanten verfolgte.
Inzwischen hatte es zu schneien begonnen, auch wehte ein bissiger Ostwind durch die Gassen und brannte auf Eves Wangen. Wie tief war sie gesunken, sich für eine solche Geschichte herzugeben, dachte sie bei sich. Aber bei all den Sorgen, die Olga derzeit plagten, hatte Evelyn es einfach nicht übers Herz gebracht, ihr die Bitte abzuschlagen.
Die Männer gingen jetzt schneller. Wohin um alles in der Welt zog es die beiden an diesem unwirtlichen Nachmittag? Es konnte doch unmöglich die gerade in Sichtweite kommende Villa Berg sein, oder? Eve hatte diesen Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, als die Männer tatsächlich durch das Parktor des Sommerdomizils schritten. Mit gerunzelter Stirn blieb sie hinter einem Torpfeiler stehen und beobachtete, wie Karl Wilhelm von Spitzemberg einen Kuss gab, den dieser seinerseits mit einem Kuss erwiderte. Dann liefen sie Hand in Hand in Richtung Hauptgebäude. Eve folgte ihnenin sicherem Abstand, indem sie sich immer wieder hinter einem Baumstamm versteckte, was auf dem sich schlängelnden Weg zum Glück einfach war. Wie nahe beieinander sie liefen. Eve hatte der Gewohnheit vieler Männer, Hand in Hand spazieren zu gehen, noch nie viel abgewinnen können, sie fand, dass so etwas Damen vorbehalten sein sollte. Nicht, dass alle Damen solch eine Nähe schätzten – die Kronprinzessin und sie waren noch nie Hand in Hand unterwegs gewesen. Evelyn konzentrierte sich wieder auf die Männer. Erst die Küsse, nun diese Nähe – fast konnte man meinen, ein Liebespaar vor sich zu haben! Evelyn schüttelte sich angewidert. Nein, dieser Gedanke war zu aberwitzig! Dass der Prinz und sein Adjutant gute Freunde waren, wusste schließlich jeder. Auch wenn sie Karl nicht leiden mochte, durfte sie derart schändliche Vermutungen nicht einmal denken!
Evelyn war fast erleichtert, als die beiden Männer durch einen der Seiteneingänge der Villa aus ihrem Blick verschwanden. Sie hatte genug gesehen.
7. KAPITEL
E in straffer Zeitplan ist das A und O im Tagesablauf. Am besten hörst du mir genau zu, wenn ich dir erkläre, wie wir fortan unsere Zeit verbringen werden.« Lächelnd schaute Helene Trupow ihren neuen Zögling an, dann ließ sie ihren Blick kurz durch den Salon schweifen, den Kronprinzessin Olga ihnen für den Benimmunterricht zugeteilt hatte. Es war ein klassisch eingerichteter Raum mit steifen Sitzmöbeln, einer Anrichte, mehreren Spiegeln und silbernen Leuchtern, in denen
Weitere Kostenlose Bücher