Die russische Spende (Stationsarzt Dr. Felix Hoffmann) (German Edition)
Celine. »Erinnerst du dich an die Absteige, in der wir ihre Hochzeit gefeiert haben?«
»Schreiber hat reiche Eltern, sagt man. Und Astrid ist, glaube ich, auch nicht im Armenhaus aufgewachsen.«
Trotzdem, Celine könnte recht haben. Nach meinem zweiten Besuch im Handelsregister hielt ich alles für möglich. War ich der letzte in der gesamten Klinik, der nichts von der wahren Finanzstruktur unseres Hauses wußte und deshalb nicht daran mitverdiente? Dr. Hoffmann, der naive Trottel von Station IIIb?
»Und – wie machen wir jetzt weiter, Felix?«
»Ich muß sicher sein, daß Dohmke wirklich glaubt, daß ich meine Nachforschungen eingestellt habe. Mal sehen, wie es sich dann weiterentwickelt.«
»Meinst du nicht, du solltest dich langsam entscheiden?«
»Wofür entscheiden?«
»Wir wissen, daß deine Klinik in den Händen einer kriminellen Vereinigung ist, daß du in einer Geldwaschanlage der russischen Mafia arbeitest. Wir wissen, daß zumindest einer deiner Chefs in die Sache verwickelt ist, eventuell auch Kollegen von dir. Also mußt du dich entscheiden, ob du dort auch künftig arbeitest und diese Leute weitermachen läßt oder ob du etwas Entscheidendes gegen diese Kriminellen unternimmst. Meinst du nicht?«
»Denkst du nicht, wir brauchen noch mehr Beweise?«
»Was denn noch für Beweise, Felix? Wir können belegen, daß über nichtexistente Privatpatienten große Mengen Geld gewaschen werden. Du hast von Margret und Astrid die Bestätigung, wie das mit dem Blut aus Rußland läuft. Und vom Handelsregister wissen wir, wer alles zu der Bande gehört. Was willst du noch? Ein schriftliches Geständnis von Herrn Dohmke?«
»Ich sehe da noch ein paar Probleme.«
Celines Stimme bekam diesen leicht angestrengten Ton.
»Das Problem bist du, Felix. Du würdest dir eher die Ohren abschneiden lassen, als dich für etwas zu entscheiden. Du hast ja schon Probleme, zwischen Pepsi und Coca zu wählen. Und, wo wir gerade beim Thema sind, das gilt auch für unsere Beziehung.«
Der Tag hatte so schön angefangen – und auf einmal hatte ich eine Beziehungsdiskussion am Hals! Der weise Spruch der Wald-und-Wiesen-Psychologen, man müsse in einer Beziehung über alles reden, ist richtig – wenn man die Beziehung beenden will. Ich entschied mich für die Kennedy-Chruschtschow-Variante aus der Kubakrise; Liegen mehrere Fragen gleichzeitig auf dem Tisch, gehe auf die weniger gefährliche ein. So haben die Kennedy-Brüder 1962 den dritten Weltkrieg verhindert. Also ignorierte ich ihre Anmerkung zu unserer Beziehung und kam auf ihre Ausgangsfrage zurück.
»Du hast recht. Wir müssen etwas unternehmen gegen diese Leute. Laß mich aber vorher noch einmal mit Margret sprechen.«
Wir hatten beide gewonnen. Ich hatte Celine recht gegeben, eine Entscheidung aber trotzdem umgangen. Und eine Beziehungsdiskussion. So werden Kriege vermieden!
Celine hatte natürlich erkannt, daß ich mich aktuell um eine Entscheidung drücken wollte, setzte mich aber nicht weiter unter Druck. Außerdem hatte sie längst beschlossen, daß wir die Sache nicht abblasen würden.
»Meine Steuerfreundin Beate kommt heute nachmittag zu mir. Sie hat sich noch einmal intensiv mit den Daten beschäftigt, und wir wollen die letzten Teile des Puzzles zusammensetzen.«
»Hört sich gut an. Aber – wir haben fast Nachmittag.«
Celine mußte sich beeilen, packte ihre Sachen zusammen und verschwand. Mir war klar, daß ich bald Kopfschmerzen haben würde. Bekomme ich immer, wenn ich morgens nicht gleich aufstehe. Fester Wochenendprogrammpunkt ist unser gemeinsames Kochen am Sonntagabend, und ich war mit dem Besorgen der Zutaten dran. Also mußte ich auch langsam los, wollte ich unser Sonntagsmenü nicht aus dem verlockenden Angebot einer Tankstelle zusammenstellen.
Nach Erledigung meiner Einkäufe holte ich den versäumten Fernsehabend am Nachmittag nach und surfte bis zum Abend durch amerikanische Soaps. Nach der Tagesschau war es Zeit für meinen neuen Besuch bei Margret.
Celine lieh mir ihr Auto, unser Vormittag im Bett war zu Lasten der Behebung meines Reifenproblems gegangen. Es regnete nicht mehr. Auf den noch feuchten Straßen glänzte der Asphalt, und erste Blätter lagen unter den Bäumen. Es sah aus, als würde sich der Sommer schon verabschieden. Wie hat Margret eigentlich einen so tollen Mann wie mich verlassen können? Celine hatte recht, auf meine narzißtische Art liebte ich Margret wahrscheinlich noch immer. Oder begehrte sie. Oder was
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