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Die russische Spende (Stationsarzt Dr. Felix Hoffmann) (German Edition)

Die russische Spende (Stationsarzt Dr. Felix Hoffmann) (German Edition)

Titel: Die russische Spende (Stationsarzt Dr. Felix Hoffmann) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Spielberg
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alte Kopfsteinpflaster gefahren.
    Ich dankte meinen Helfern, setzte mich in meinen nutzlosen Wagen und haderte mit dem Schicksal. Eine durchwühlte Wohnung, eine tote Ratte, zerschnittene Reifen – was waren das für Albernheiten! Nicht, daß ich mich nach einem wirklichen Anschlag auf mein Leben sehnte, aber diese Ärgernisse aus der Kategorie Schulstreiche waren eher lästig als bedrohlich. Und wie, bitte schön, sollte ich jetzt nach Hause kommen?
    Ich hatte wenig Neigung, an diesem Abend noch an der Tankstelle gegenüber Verhandlungen über die Reparatur meiner Reifen aufzunehmen. Zumal Tankstellen heute primär der Versorgung mit frischen Brötchen, französischem Wein und mit Zeitschriften, die man ungern beim Zeitungshändler an der eigenen Ecke kaufen würde, dienen. Ich sprang über meinen Schatten und winkte ein Taxi herbei, was mich fast mehr schmerzte als die zerschnittenen Reifen. Taxis stellen für mich mit ihrem erbarmungslos laufenden Taxameter den Gipfel der Verschwendung dar. Aber auf einen einstündigen Fußmarsch war ich noch weniger erpicht.
    Im Taxi überlegte ich, ob es vielleicht keine albernen Streiche waren, wenn man sich mit den Gewohnheiten der russischen Mafia auskennt. Das rüde Zerwühlen meiner Wohnung konnte gut der Suche nach Mischas stationärer Akte und der Kopie des ursprünglichen Leichenschauscheins gegolten haben. Und eine tote Ratte drückt vielleicht glasklar aus: Bis hierhin und nicht weiter, sonst du auch tot.
    Und die zerschnittenen Reifen? Hatte Dohmke meine Kapitulation noch nicht an seine Fußtruppen weitergegeben? Wollten mich diese daran erinnern, auch schön bei diesem Vorsatz zu bleiben? Oder hatten sie mich heute morgen wirklich verfolgt, aber in der U-Bahn verloren und aus Ärger über meine Pfiffigkeit die Reifen aufgeschlitzt? Ich beobachtete den vor der roten Ampel unbeeindruckt weitertickenden Taxameter und überlegte, wie ich die Kosten für diese Taxifahrt an Dohmke weitergeben könnte. Ich würde für diese Fahrt eine Überstunde aufschreiben. Gleich fühlte ich mich wohler – bis mir einfiel, daß Überstunden nicht mehr bezahlt wurden.
    Das Taxi lud mich unbeschadet vor der Haustür ab. Ich hatte mir in den letzten Wochen einen schnellen Rechts-Links-Blick angewöhnt, konnte aber nichts Verdächtiges entdecken. Kein Passant, der unauffällig herumstand, keine Gruppe unverdächtiger junger Männer. Ich betrat meinen Hausflur und fühlte mich relativ sicher. Aber nur kurz. Deutlich hörte ich leises Atmen – jemand erwartete mich direkt vor meiner Wohnungstür. Zum wiederholten Mal verdammte ich meine Faulheit, mir noch immer keinen Schlagring, kein Döschen mit CD-Gas oder eines von diesen Zwanzigtausend-Volt-Stöckchen besorgt zu haben.
    Vorsichtig schielte ich um das Treppengeländer. Es war eine Frau, die ohne jedes Zeichen von Aggressivität auf der Treppe hockte. Sie sah mich aus einem aufgedunsenen Gesicht mit einem Blick an, als hätte sie bereits ein paar Stunden auf mich gewartet und als sollte ich sie kennen.
    »Felix, endlich. Ich sitze hier schon den halben Tag.«
    Etwas an ihrem Gesicht schien mir vertraut, ich erkannte sie an ihrer Stimme. Es war Astrid Schreiber, die Frau meines Kollegen Schreiber, der den toten Mischa in meinen Aufnahmedienst geschleppt und ihn mit dem zweiten Leichenschauschein versorgt hatte. Und der unmittelbar danach in die USA verschwunden war. Ich konnte es kaum glauben, daß es dieselbe Astrid von neulich abend war. Was stand ihr bevor – eine Drillingsgeburt? Oder litt sie an einer Schwangerschaftsgestose, einer krankhaften Einlagerung von Wasser während der Schwangerschaft?
    »Ich hoffe, du bekommst meinetwegen keine Schwierigkeiten mit deinen Nachbarn. Oder sind die an junge Frauen, die stundenlang vor deiner Tür sitzen, gewöhnt?«
    »Sie gewöhnen sich langsam daran. Komm erst einmal mit rein.«
    Astrid erhob sich mit dem Elan eines überalterten Ackergauls. Ihre unförmige Figur steckte in einem bunten Kartoffelsack, der in dem Katalog für Umstandsmoden ganz nett gewirkt haben mochte. Dazu trug sie eine Art Badelatschen, in denen ihre Füße in der Breite deutlich über die Sohle quollen. Sie folgte mir in die Küche und ließ sich auf meinen Küchenhocker plumpsen. Momentan hatte ich mehr Angst davor, daß sie plötzlich bei mir niederkommen könnte, als vor Dohmke, Boris und der gesamten russischen Mafia. Ich hatte schon beim Staatsexamen keine Ahnung von Geburtshilfe.
    »Ich dachte, du seist längst

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