Die russische Spende (Stationsarzt Dr. Felix Hoffmann) (German Edition)
bei deinem Mann in New York!«
»Klaus hat noch keine Wohnung für uns gefunden.«
Sie erhob sich deutlich schneller als eben und inspizierte meine Nahrungsvorräte.
»Suchst du saure Gurken?«
»Quatsch. Das ist höchstens was im ersten Monat. Jetzt brauchen wir Kalorien. Hast du was Süßes?«
Habe ich in der Regel nicht, doch Celine hatte neulich diese doppelten Butterkekse mit der eklig süßen Schokoladenfüllung mitgebracht. Astrid hatte die angebrochene Packung schon aufgespürt.
»Er wohnt immer noch im Schwesternwohnheim. Außerdem hat sich alles so verzögert, daß ich jetzt Sorge hätte, mein Baby ausgerechnet über dem Atlantik zu bekommen.«
»Auf jeden Fall solltest du auf die Nationalität der Fluggesellschaft achten. Nimm die Fluggesellschaft der Emirate. Dann hat dein Baby eine kostenlose Krankenversicherung bis zum Lebensende. Und eine gute Rente.«
»Und wir hätten plötzlich einen Araber in der Familie. Nein, das wäre mir zu kompliziert.«
»Ihr müßtet auf Schweinefleisch verzichten.«
Im Moment schien Astrid nicht bereit, auf irgendeine Art von Kalorien zu verzichten – und ich wollte nicht schon wieder einen gemütlichen Abend beerdigen.
»Astrid, nimm's mir nicht übel. Aber – was willst du von mir?«
Sie hatte die Butterkekse samt Füllung inzwischen ohne Anzeichen akuter Übelkeit komplett erledigt.
»Margret war neulich bei mir zu Besuch.«
Astrid ist Hämatologin, nach dem ersten Kind hatte ihr Dohmke eine Halbtagsstelle auf der Blutbank angeboten. So arbeiteten meine ehemalige Geliebte Margret und Astrid Schreiber bis zu ihrem Mutterschutz zusammen.
»Und?«
»Wir haben auch über dich gesprochen. Wie du dich in diese Sache mit dem toten Russen hineingesteigert hast und alle Leute mit Fragen nervst.«
»Was stört dich daran? Er war ein Patient von mir. Da will ich schon wissen, ob ich ihn vielleicht umgebracht habe.«
»Das hast du sicher nicht. Das weißt du. Es macht mir Sorgen wegen der Karriere meines Mannes. Ich habe gehört, daß es irgendwelche Probleme mit dem Leichenschauschein von diesem Patienten gibt.«
»Das Problem ist, daß dein Mann zwei Leichenschauscheine ausgestellt hat. Um genau zu sein, hatten wir den ersten gemeinsam ausgefüllt, und er hat dann irgendwann einen neuen geschrieben. Und aus ›Todesursache ungeklärt‹ wurde ›natürlicher Tod‹. Ich frage mich, warum er das gemacht hat.«
»Vielleicht hat man ihn darum gebeten.«
»Und wer hat ihn darum gebeten?«
»Da sind sie wieder, deine Fragen. Es macht mir Sorgen, daß du die Sache an die große Glocke hängst und uns damit in Schwierigkeiten bringst.«
Ich hatte plötzlich das Gefühl, daß es Astrid mit ihrem Besuch bei mir nicht wirklich um ihren Mann ging.
»Sag mal, Astrid, bei deiner Arbeit auf der Blutbank unterschreibst du doch auch die Testprotokolle für die Blutkonserven?
Astrids Blick verriet keine Unsicherheit. Es war unverändert der Blick einer schwangeren Frau, deren einzige Sorge dem ungeborenen Leben in ihrem Bauch zu gelten schien. Und vielleicht noch einer ausreichenden Versorgung mit Butterkeksen und ähnlichen Kalorienbomben.
»Ich weiß, worauf du hinauswillst, Felix. Margret hat mir von den beiden Kontrollzetteln erzählt. Also gut, die Klinik macht ein kleines Nebengeschäft mit importierten Blutkonserven. Wach auf, Felix. Wir leben in der Neuzeit. Die Behandlung von Patienten ist zu einer ziemlich kostenintensiven Sache geworden. Eine Klinik war schon immer ein Wirtschaftsunternehmen, und nach den neuen Gesetzen ist sie jetzt sogar verpflichtet, sich auch so zu benehmen.«
»Mit illegalen Geschäften?«
»Es ist nichts Illegales, Blutkonserven zu importieren.«
»Und russische Blutkonserven als deutsche zu deklarieren?«
»Es geht nur um ein Etikett, nicht um minderwertige Schrittmacher oder abgelaufene Medikamente. Mein Gott! Willst du mit deinem Kreuzzug die ganze Klinik gefährden, alle Menschen, die dort arbeiten?«
Inzwischen war ich sicher, daß Astrid nicht wegen der Karriere ihres Mannes hier war. Die war bei Dohmke und seinen Freunden in besten Händen, solange Schreiber ordentlich spurte. Sie war von Dohmke geschickt worden! Gut, ich konnte ihr gerne erzählen, was Dohmke hören sollte.
»Ich bin auf keinem Kreuzzug, Astrid. Ich werde die Klinik nicht gefährden, weder die Mitarbeiter noch die Patienten. Ich weiß inzwischen, daß die Todesursache auf dem zweiten Leichenschauschein stimmte: natürlicher Tod. Es war eine fulminante
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