Die russische Spende (Stationsarzt Dr. Felix Hoffmann) (German Edition)
Wahrheit, Celine. Sie will morgens immer ein blutiges Steak mit Pommes frites, weil ich sie so auslauge in der Nacht.«
Es war so ein Tag, an dem wir es uns schon als Erfolg anrechnen, andere mit unserer schlechten Laune infiziert zu haben. Eine meiner leichtesten Übungen. Nur kann man Kopfschmerzen und Übellaunigkeit nicht gleichsam verdünnen oder gar loswerden, indem man sie an seine Umwelt weitergibt. Also versuchte ich das anstrengendere Rezept, holte mein Fahrrad aus dem Keller und trampelte nach den zwei Brötchen verbissen in die Pedale.
Ich hatte die ganze Stadt für mich, ohne Gefahr für Leib und Leben konnte man freihändig den Ku'damm hinunterradeln. Berlin war an die Ostsee gefahren, in den Spreewald oder wenigstens an die Havel oder den Müggelsee, in einem kollektiven Bedürfnis, sich in überteuerten Ausflugsrestaurants über matschigen Obstkuchen zu ärgern oder sich an überfüllten Stränden Fußbälle an den Kopf donnern zu lassen.
Im Tiergarten ließ ich mir tausend orientalische Düfte von den Grillstellen unserer osteuropäischen Gäste um die Nase streichen und fuhr, immer noch freihändig, durch das Brandenburger Tor. Unter den Linden, in Höhe des Kronprinzenpalais, hatte ich mir langsam Übellaunigkeit und Kopfschmerzen aus dem System gestrampelt. Überall Baugerüste – das vereinigte Berlin ist auf dem Weg, wieder eine Weltstadt zu werden, und vielleicht gehören Mafiageschäfte auf hohem Niveau einfach dazu.
Denn inzwischen war mir klar, daß die Enttäuschung über Margret Ursache meiner Sonntagsdepression war. Aber vielleicht war sie gegen ihren Willen zur Teilhaberschaft bei Dohmke und Co. gezwungen worden, damit man sie besser unter Druck setzen könnte? Außerdem, hatte sie wirklich eine Wahl gehabt? Die Polizei? Wen hätte sie dann mehr fürchten sollen Gericht und Staatsanwaltschaft oder die Rache der Russen-Mafia? Eine beneidenswerte Wahl!
An der Museumsinsel waren sich Geist und Körper einig, daß wir für einen heißen Sommertag genug geschwitzt hatten, beide plädierten für den Heimweg per S-Bahn. Ich gab mein Okay.
Am Abend war ich dann doch bei Celine, schließlich hatten wir uns für unser traditionelles Sonntagabend-Kochen auf Flugentenbrust in Orangensauce mit Zuckererbsen geeinigt, und die Beschaffung der Zuckererbsen sowie besonders einer unbehandelten Apfelsine waren am Samstag ziemlich zeitaufwendig gewesen. Das Kochen hatte mich endgültig entspannt, nach dem Essen und einem starken Espresso aus Celines italienischer Maschine war ich bereit für ihre Erfolgsmeldungen zu Bredows Buchhaltung.
Celine und Beate hatten ganze Arbeit geleistet: Gelb markierte Ausdrucke für Bredows Versuche, die Klinikkasse durch Optionsgeschäfte aufzubessern. Blau für alle Privatpatienten-Abrechnungen vor dem vorletzten November, grün für die Privatpatienten ab November. Orange für die Überweisungen an die Fremdfirmen wie CareClean, Hospital Catering Service und Flecklos. Rot für die Geschäfte mit den Blutkonserven. Inmitten dieses geordneten Durcheinanders thronte eine sichtlich zufriedene Celine.
»Ich glaube, es gibt jetzt keine losen Enden mehr. Was immer er sonst war, euer Doktor Bredow war ein ordentlicher Buchhalter.«
Das stimmte. Und die neuen Eigentümer der Klinik hatten keine Zeit verloren. Schon im Dezember stiegen die Ausgaben der Klinik um fast vierhunderttausend Mark, voll abgedeckt durch Einnahmen von angeblichen Privatpatienten. Im Moment wurden fast eine Million Mark pro Monat über die Klinik gewaschen – der Einstiegspreis hatte sich schnell amortisiert.
Die Sache mit den Blutkonserven war von vergleichsweise untergeordneter Bedeutung, brachte aber immerhin um zweihunderttausend Mark pro Monat. Wenige dieser Konserven wurden in der Klinik selbst verbraucht, der Großteil ging an weiterverarbeitende Firmen, etwa ein Drittel unterhalb des marktüblichen Preises. Diese Einnahmen waren unter »Leistungen hämatologisches Labor für Fremdfirmen« erfaßt, und hier ergab sich noch ein interessantes Detail: eine Liste von Managern in diesen Firmen und deren jeweiliger Kontonummer, vorzugsweise bei Banken in der Schweiz oder in der Karibik. Vielleicht wußten diese Manager nicht, daß sie mit der Mafia zusammenarbeiten, aber sie müssen gewußt haben, daß es sich um importiertes Blut handelte. Keine Mafia dieser Welt kann nur mit Kontakten zur Unterwelt und zu Drogensüchtigen existieren. Sie ist immer auch auf die Geldgier von angeblich seriösen
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