Die russische Spende (Stationsarzt Dr. Felix Hoffmann) (German Edition)
Ersatzweise bog er eine Büroklammer zurecht und kratzte sich im rechten Ohr, ehe er fortfuhr.
»Mir ist sowieso nicht ganz klar, weshalb Sie sich in diesen toten Russen verbissen haben. Sind Sie in einem Verein für die Rechte von Ausländern oder so etwas? Ich meine, wenn Sie einen Behandlungsfehler gemacht haben oder sonst einen Fehler, sollten Sie es mir sagen. Ich bin der ärztliche Direktor. Wir könnten die Sache intern ausbügeln, bevor Sie oder die Klinik zu Schaden kommen.«
»Ich bin mir keines Behandlungsfehlers bewußt, Herr Dohmke. Alles, was ich weiß, ist, daß Mischa Tschenkow neulich tot und quittegelb bei uns vorgefahren wurde. Für mich sah es nach einer fulminanten Hepatitis aus. Und vor einigen Monaten war dieser Mann Patient auf meiner Station und hat eine Blutkonserve bekommen.«
»Davon haben Sie mir neulich nichts erzählt, von der Blutkonserve. Sehen Sie einen Zusammenhang?«
»Ich glaube, Professor Dohmke, jeder Student im ersten klinischen Semester sollte einen Zusammenhang zwischen Hepatitis und einer Blutkonserve sehen.«
»Das ist im Prinzip richtig, Dr. Hoffmann. Aber wie kommen Sie bei Ihrem Patienten auf Hepatitis? Nur weil er Gelbsucht hatte? Sie wissen so gut wie ich, es gibt Hunderte von Ursachen für eine Gelbsucht. Irgendeine Infektion zum Beispiel, Leptospiren, Lues, Typhus, Trypanosomen, Rickettsien, Fleckfieber tausend Möglichkeiten. Ihr Patient ist tot und die Leiche verbrannt, man wird nie genau wissen, woran er gestorben ist. Vielleicht war er ein Opfer der russischen Küche und hat sich ein paar leckere Knollenblätterpilze in die Pfanne gehauen.«
Ich konnte im Moment nicht einordnen, warum mir auffiel, daß Mischa verbrannt worden sei. Ich war damit beschäftigt, überzeugend zu parieren.
»Ich glaube nicht, daß schon Pilzsaison ist. Und soweit ich weiß, ist er über Wochen und Monate krank gewesen.«
»Dann denken Sie doch mal an das Naheliegendste, Dr. Hoffmann. Methanol, mein Lieber, Methanol. Ich bin etwas älter als Sie, ich kenne die Russen. Ich sage Ihnen, die saufen alles.«
Es hätte sicher nicht weitergeführt, Dohmke darauf hinzuweisen, daß Mischa aus der Ukraine kam. Ukrainer kannte er im Zweifelsfall noch besser als Russen, und die ernährten sich seiner Meinung nach wahrscheinlich ausschließlich von Knollenblätterpilzen und Methanol.
»Möglich, Herr Dohmke, daß Tschenkow sich mit Methanol umgebracht hat, oder sogar mit Knollenblätterpilzen. Nur, er ist nicht seziert worden, und nun haben wir möglicherweise ein Problem. Belegbar ist sein Tod mit offensichtlich sehr gelber Hautfarbe und daß er neun Monate vorher in unserem Krankenhaus eine Bluttransfusion bekommen hat. Wenn jemand behauptet, er hätte eine Hepatitis von unserer Blutkonserve bekommen, könnte die Klinik das Gegenteil nicht beweisen.«
Dohmke griff zu einer neuen Büroklammer und bearbeitete nun sein linkes Ohr. Irgendwann würde er sein Trommelfell perforieren.
»Doch, könnten wir. Unsere Konserven werden genauestens getestet und, wie Sie wissen, auch auf Hepatitis. Und die Testbelege werden für alle Konserven ein paar Jahre aufgehoben. Ihr Patient mag ja aus Rußland gewesen sein, aber doch nicht unsere Blutkonserven.«
Eine interessante Bemerkung! Vielleicht war es das! Importierte meine Klinik über Dohmkes Freund Boris Blutkonserven aus Rußland? Ich mußte mich unbedingt mit Margret verabreden. Dohmke gegenüber wandte ich ein, daß es trotzdem immer wieder Zwischenfälle mit verunreinigten Konserven gibt, auch bei uns in Deutschland.
»Aber nicht in unserer Klinik, Dr. Hoffmann. Da können Sie ganz beruhigt sein.«
Ich wagte einen weiteren Versuch. Erstaunlicherweise hatte Dohmke mir noch immer nicht bedeutet, mich gefälligst um meine Arbeit in der Klinik zu kümmern, oder mich einfach hinausgeworfen.
»Wie gesagt, aus irgendeinem Grunde gab es keine Sektion. Aber gesetzt den Fall, es gäbe trotzdem eine Serumprobe von Tschenkow, irgendwo in einer Tiefkühltruhe. Und gesetzt den Fall, diese wäre positiv für Serumhepatitis?«
Ich konnte Dohmkes Blick nicht interpretieren. War es der mitleidige Blick des ärztlichen Direktors, der sich allmählich Sorgen um den Geisteszustand eines seiner Stationsärzte machen mußte? Oder versuchte er abzuschätzen, ob es wirklich eine Serumprobe von Mischa gab und ich eine Bedrohung darstellte?
»Das ist mir nun wirklich ein Wenn zuviel, Dr. Hoffmann, da komme ich langsam nicht mehr mit. Aber schön, lassen Sie uns
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