Die russische Spende (Stationsarzt Dr. Felix Hoffmann) (German Edition)
Beschäftigung für seine MTAs und seine Labordoktors übrig.
»Daß ich hier bin, hat direkt mit meiner Klinikarbeit zu tun«, erwiderte ich tapfer, »jedenfalls mit den Interessen der Klinik. Genauso, wie sicher auch Ihre Arbeit hier den Interessen der Klinik dient.«
Einmal mehr stellte ich mir die Frage, warum man Dohmke sein vieles Geld eigentlich nicht ansah. Sein Konfektionsanzug saß wie immer schlecht, zeigte ausgesuchte C&A-Häßlichkeit, und seine Armbanduhr war offensichtlich das Konfirmationsgeschenk einer nicht allzu großzügigen Tante.
»Da haben Sie recht, Dr. Hoffmann. Ich habe weiß Gott genug Arbeit in der Klinik und bräuchte nicht hier schlecht geführte Unterlagen zu sichten, wenn Herr Bredow etwas besser Ordnung gehalten und sich nicht so aus der Verantwortung geschlichen hätte.«
Erstaunlich – Professor Dohmke hatte sich tatsächlich in die Defensive drängen lassen und fühlte sich sogar bemüßigt, seine Anwesenheit im Chefbüro der Firma CareClean zu rechtfertigen.
»Die Firma CareClean ist, wie unser Catering Service, eine Tochtergesellschaft unserer Klinik. Wir haben bei der Privatisierung der Klinik unserem Reinigungspersonal gekündigt und es bei CareClean wieder eingestellt. Also muß ich mich jetzt auch hier noch um alles kümmern.«
Er konnte einem leid tun, der Herr Professor Dohmke.
»Viel Personal können Sie nicht übernommen haben. Mir scheint, CareClean beschäftigt zur Zeit nur Osteuropäer und Afrikaner.«
»Das ist eine Sache des Marktes, Herr Hoffmann. Angebot und Nachfrage. Natürlich muß auch eine Firma wie CareClean Arbeit möglichst preisgünstig einkaufen. Kann sein, Dr. Bredow hat übertrieben. Deshalb versuche ich mich hier durch die Akten zu arbeiten. Ich kann nicht ausschließen, daß Fehler gemacht worden sind.«
Was wollte mir Dohmke mit dem Wort »Fehler« mitteilen? Daß bei CareClean illegale Arbeitsverhältnisse bestehen? Wenn das der Fall war, warum erzählte er mir das? Und warum fragte er nicht, was ich hier überhaupt zu suchen hatte?
Statt dessen lamentierte er weiter über seine Arbeitsbelastung nach Bredows Tod. Er müsse nicht nur ein großes Kliniklabor leiten, seine Funktion als ärztlicher Direktor wahrnehmen und Bredows Arbeit als Chef der Klinikverwaltung fortführen, nein, er müsse sich nun auch um jede Kleinigkeit bei den Firmen Hospital Catering Service und CareClean kümmern.
Ich war beeindruckt über das Arbeitspensum dieses Mannes – wahrscheinlich hatte er im Moment kaum Zeit für seinen Anlageberater, und das ist bitter. Ehe ich zuletzt in Tränen über seine enorme Arbeitsleistung ausbrechen würde, fragte ich, ob er eventuell den Arbeitsvertrag zwischen CareClean und Mischa Tschenkow finden könne.
Er schaute mich mit angehobenen Augenbrauen über seine Lesebrille hinweg an.
»Tschenkow? War das der Russe, von dem Sie mir erzählt haben? Der Patient bei Ihnen war?«
»Richtig. Das war der Patient, der neulich als Toteinlieferung gekommen ist und eigentlich seziert werden sollte. Und dessen stationäre Akte verschwunden ist.«
Ein kleiner Versuchsballon – ich war inzwischen fast sicher, daß man genau nach dieser Akte in meiner Wohnung gesucht hatte, wußte nur noch nicht genau, wer oder in wessen Auftrag. Michael Thiel hatte recht: Wenn es etwas mit der Bluttransfusion zu tun hat, die Mischa bei uns bekommen hatte, könnte auch Professor Dohmke als Leiter der Blutbank großes Interesse an der Akte haben. Der zeigte allerdings keine besondere Reaktion.
»Ich erinnere mich. Es ging um Ihren Termin bei Dr. Bredow. Und um Ihre Sorge wegen einer eventuellen Kunstfehlerklage.«
»Richtig!«
»Und – hat uns schon jemand verklagt?«
Im Prinzip eine unsinnige Frage – als ärztlicher Direktor hätte Dohmke von einer Kunstfehlerklage gegen die Klinik als erster erfahren. Er versuchte mir offensichtlich zu bedeuten, daß ich einem Hirngespinst nachjage.
»Soweit ich weiß, nein. Aber Frau Krüger hat wohl die Akte von Tschenkow auch noch nicht gefunden?«
Schließlich hatte Professor Dohmke sie nach unserem Gespräch in der Klinik neulich beauftragt, nach der Akte zu fahnden.
»Kann ich Ihnen nicht sagen, Dr. Hoffmann. Ich habe im Moment genug um die Ohren, wie Sie sehen. Und sicher andere Probleme, als nach einer alten Akte oder einem Arbeitsvertrag mit einem Toten zu suchen.«
Er suchte etwas auf dem Schreibtisch. Offensichtlich hatte er hier noch kein Depot seiner berühmten Wattestäbchen angelegt.
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