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Die Saat der Bestie (German Edition)

Die Saat der Bestie (German Edition)

Titel: Die Saat der Bestie (German Edition)
Autoren: Michael Dissieux
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und hält ein Buch in die Höhe.
    David nickt. »Schon als Kind habe ich gerne Gespenstercomics gelesen. Die Vorliebe für Grusliges hat sich bis heute nicht geändert.«
    Sam stellt das Buch ins Regal zurück. »Und jetzt haben wir unseren eigenen Horror, direkt vor der Haustür.« Ihre Worte sind nicht mehr als ein Murmeln und sind an sie selbst gerichtet, doch David versteht sie dennoch. »Und das hier?« Sie hält grinsend einen Liebesroman hoch. David spürt, wie sich seine Kehle zuschnürt und ihn ein bitterer Kloß am Atmen hindert.
    »Das sind Darleens Bücher«, sagt er knapp und sieht in eine andere Richtung.
    »Oh, tut mir leid«, sagt Sam leise und steckt das Buch in die Lücke zurück. »Ich wollte nicht …«
    »Ist schon okay.«
    David winkt mit einem knappen Schulterzucken ab. Danach schweigen sie beide, während Sam noch andere Bücher mustert. David stellt fest, dass sie keine weiteren von Darleens Büchern aus dem Regal zieht.
    Nach einer Weile geht sie weiter, betrachtet verschiedene Bilder an den Wänden und eine kleine Ansammlung unterschiedlicher Vasen auf einer Kommode. Vor einer gerahmten Urkunde bleibt sie stehen und beugt sich nach vorn, um die Schrift besser entziffern zu können.
    »Du bist Angler?«
    »Jetzt nicht mehr«, antwortet David mit einem Lächeln. »Aber früher schon. Habe bei Wettbewerben mitgemacht und gar nicht mal so gut abgeschnitten.«
    »Dritter Platz«, sagt Sam und nickt anerkennend. »Ist doch nicht schlecht.« Sie dreht sich zu ihm um. »David Frank Morris. Ist das dein vollständiger Name?«
    Er zuckt wie unter einem Peitschenhieb zusammen, als er seinen zweiten Rufnamen hört. Etwas regt sich in ihm – etwas, das in seinem Schlaf gestört wurde. Für kurze Zeit legt sich etwas Dunkles über seine Gedanken, doch es verschwindet so schnell, dass es auch Einbildung gewesen sein könnte.
    »Da das mein Haus ist, werde ich es wohl sein.«
    Sam betrachtet mit ernster Miene die Urkunde.
    »Mein zweiter Name lautet Patricia«, sagt sie nachdenklich und leise. Dann geht sie weiter und macht Anstalten, aus dem Fenster zu blicken, doch David hat längst die Läden geschlossen.
    Als sich Sam wieder auf die Couch setzt, lehnt sie sich zurück und schließt die Augen. Plötzlich verliert ihr Gesicht jegliches Leben und sie verwandelt sich binnen Sekunden in eine alte, trotzdem immer noch sehr schöne Frau. Die geschlossenen Augen erinnern David ein klein wenig an Darleen. Mit geschlossenen Augen scheinen alle Frauen gleich auszusehen. Er wendet seinen Blick ab und betrachtet nun seinerseits das Zimmer, dessen Einzelheiten er auswendig kennt, das ihm aber, im Angesicht von Sams Anwesenheit, plötzlich in einem vollkommen anderen Licht erscheint.
    Er will nicht Sam anstarren. Er will nicht an Darleen denken. Und er will nicht die dunklen Gedanken zulassen, die sich immer wieder wie ein Schatten über seinen Verstand legen. Das, was Sam mit der Erwähnung seines zweiten Vornamens geweckt hat, regt sich noch immer dunkel und murrend in ihm.
    Später am Abend sitzen sie zusammen an einem viel zu großen Esstisch aus Eiche, den sich David drei Häuser weiter ausgeliehen hat, und essen.
    Es ist ein merkwürdiges Gefühl, zum ersten Mal seit vielen Monaten nicht mehr allein an dem Tisch zu sitzen. Doch es ist ein angenehmes Gefühl, und David genießt es. Sam scheint ausgehungert. Sie beachtet ihn ebenso wenig wie ihre Tischmanieren, schlingt das Essen herunter und spült mit einer Flasche Limonade nach. David isst langsam; so, wie er es immer tut. Dabei beobachtet er Sam, der es egal zu sein scheint, angestarrt zu werden; oder sie bemerkt es nicht.
    David kann sich nicht entscheiden, als was er sie sehen soll. Sie ist eine Fremde, die erst vor wenigen Stunden auf höchst unerfreuliche Weise in sein Leben getreten ist. Immerhin hatten sie sich gegenseitig mit einem Gewehr bedroht. Auf der anderen Seite ist sie eine Frau, ein Mensch, der das gleiche Los teilt, wie er selbst. Vielleicht ist sie sogar die letzte Frau auf der Erde , denkt er. Der Gedanke macht ihm Angst. Er beschließt, sie einfach als eine fremde Frau zu betrachten. Was später einmal überwiegen wird, ob Fremde oder Frau , wird sich entscheiden. Sich an diesem Abend Gedanken darüber zu machen, erscheint ihm zwecklos. Die Gedanken rasen in einer wilden Fahrt durch seinen Kopf und sind zu schnell, um von ihm aufgegriffen zu werden. Manchmal hat er das Gefühl, in ein bodenloses Loch zu fallen, dann schwebt er plötzlich
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