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Die Saat der Bestie (German Edition)

Die Saat der Bestie (German Edition)

Titel: Die Saat der Bestie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Dissieux
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Seifenschachteln, die zu Boden fallen und ein großes Badetuch, das über seine Schulter rutscht.
    Seltsamerweise liegt auf dem Gesicht des Mannes im Spiegel ein bissiges Grinsen, obwohl sich David sicher ist, eher einen entsetzten Ausdruck zur Schau zu stellen. Er denkt an die Flasche Wein, die er getrunken hat und verflucht sich für seine Disziplinlosigkeit. Doch der Kerl im Spiegel erscheint ihm zu real, als dass David die Erscheinung auf seinen Alkoholrausch zurückführen könnte.
    »Ich glaube, du solltest dich erst einmal beruhigen«, lacht die Gestalt im Spiegel, wobei sie immer noch mit ausgestreckten Armen gegen das Regal lehnt. Das Handtuch auf der Schulter ist mittlerweile zu Boden gefallen. »Du hast lange keine Frau mehr gehabt, mein lieber David. Ist dir eigentlich bewusst, aus welchem Grund du so um Sam trauerst?«
    David schüttelt unwillkürlich den Kopf. Das grinsende Gesicht im Spiegel tut es ihm gleich.
    »Du trauerst nicht um die Frau, sondern nur um das, was sie zwischen ihren Beinen hat, habe ich Recht? Du trauerst um all die Wonnen, die sie dir noch hätte bereiten können, um das Gefühl, das dich berauscht hat, als du in sie eingedrungen bist, und das dich fast um den Verstand gebracht hat.«
    Das Ding im Spiegel – Frank – stößt sich vom Regal ab und kommt langsam auf David zu.
    »Du trauerst um diese eine Nacht, die du mit ihr hattest, weil dir dein primitiver Verstand vorgegaukelt hat, dass du die Frau jetzt haben kannst, wann immer und wo immer dir danach ist. Morgens, mittags, in der Nacht, in der Küche, im Wohnzimmer, am Pier – darum trauerst du. Dein Schwanz trauert um die Frau, nicht du.« Frank beginnt zu lachen, stemmt die Hände in die Hüften und schüttelt den Kopf. »Du bist ein kleiner Perverser, mein lieber David, weißt du das?« Er blickt nachdenklich, aber immer noch lachend zu Boden, als könne er selbst nicht glauben, was er gerade erkannt hat. »Du bist ein scheinheiliger Perverser, das bist du, mein Kleiner.« Frank hebt den Kopf und nickt lange und nachhaltig. »Ich bin stolz auf dich, Bruder. Endlich zeigst du mal so etwas wie Männlichkeit.«
    David versucht, etwas zu erwidern, doch als ihm bewusst wird, dass er wieder vorm Waschbecken steht, versagt ihm die Stimme. All das, was Frank im Spiegel getan hat, hat auch er gemacht. Er steht vor dem Spiegel, die Hände in die Hüften gestemmt und starrt auf ein schiefes Grinsen, das sein eigenes Gesicht verunstaltet.
    »Wir haben doch mehr gemeinsam, als ich dachte.« Frank beugt sich über das Waschbecken, nahe an den Spiegel heran, bis ihre Gesichter nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt sind. David überkommt das absurde Gefühl, säuerlichen Atem zu riechen. »Und doch …« Franks Gesicht verhärtet sich plötzlich. Die Augen blitzen kalt und verengen sich zu schmalen Sicheln, als würde er über seine nächsten Worte genau nachdenken. »Und doch sind wir so verschieden, wie es Brüder nur sein können.«
    Endlich gelingt es David, seine Benommenheit abzulegen. Der Rausch des Alkohols ist längst verflogen, seine Sinne schärfen sich, und er stößt sich vom Beckenrand ab.
    »Du bist nicht real«, flüstert er mit rauer Stimme und fährt sich mit beiden Händen durchs Haar. »Du bist nur meine Einbildung. Das warst du schon immer. Dass ich dich jetzt hier sehe …«
    David verstummt. Er hat keine Erklärung für Franks Erscheinen. Monatelang hat er mit seinem anderen Ich gesprochen, ihm seine Probleme und Ängste anvertraut, wie er es bei Lilly getan hat. David selbst hat ihn Frank getauft. Dass er jetzt vor dem Spiegel steht und mit sich selbst redet, kann nur bedeuten, dass der Verlust von Sam einen größeren Schaden bei ihm angerichtet hat, als er sich eingestehen will.
    »Du willst mich als Einbildung abtun? Das ist natürlich einfach für dich.« Frank beugt sich wieder nach vorn. David spürt, wie sich seine Hände um den Rand des Beckens legen, als er es ihm gleich tut. »Du willst dir also selbst einreden, dass du nur eine Einbildung bist?« Frank lacht. Das Geräusch klingt wie raues Schleifpapier auf Metall. »Ich wusste nicht, dass du so amüsant sein kannst, mein lieber David. Muss wohl am Wein liegen. Du solltest die Finger davon lassen. Alkohol ist die Droge des Teufels, sagt man. Weißt du das nicht?«
    Das Lachen verstummt, und zurück bleibt das schiefe Grinsen.
    »Wenn ich ein Trugbild bin, dann bist du das auch. Denn du solltest eines niemals vergessen …« Frank kommt noch

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