Die Saat der Bestie (German Edition)
ihrer rechten Seite liegt umgestürzt auf dem Boden. Ein Schatten erscheint, sie hört schweres Atmen.
Sam öffnet den Mund, ihre Lippen versuchen Worte zu formen, doch jemand drückt ihr ein Tuch auf Mund und Nase. Plötzlich riecht es wie in einem Krankenhaus. Als Kind hat sie den Geruch gehasst. Das sind ihre letzten Gedanken, bevor sie leblos in ihren Fesseln zusammensinkt.
***
»VERSCHWINDE!«
David presst die Fäuste gegen die Schläfen, als versuche er, seinen Kopf zu zerquetschen. Durch seine Gedanken hallt ein leises Kichern. Bösartig und verhöhnend; so grausam, als käme es von einem kleinen Kind.
»Verschwinde, verschwinde«, singt eine helle, nasale Stimme in seinem Verstand, dann wird sie dunkler – und gefährlicher: »Ich habe dir über Monate zugehört, musste mir dein Gezeter und deine Selbstzweifel anhören, habe dich weinen gehört, nach Gott rufen und ihn um den Tod anbetteln. Ich war nur Mittel zum Zweck für dich, und jetzt, wo ich dir lästig werde, wo du Angst vor mir hast, soll ich verschwinden? Einfach so?«
Wieder das Kichern.
David war am Morgen auf dem Boden neben dem Bett aufgewacht. Die Decke lag über seinen Füßen, das Kopfkissen fest gegen seine Brust gedrückt.
Die Schmerzen in seinem Kopf waren schier unerträglich gewesen, ob sie nun vom Wein herrührten oder von seiner bizarren Unterhaltung mit Frank. Doch sobald er aufgestanden war und schwankend im Zimmer stand und das Spiel von Staub und mattem Tageslicht in den Ritzen der Fensterläden betrachtete, hatte das Kichern begonnen. Erst leise, nicht mehr als ein fernes Echo, das auch der Wind vor dem Haus hätte sein können. Dann hatte sich das Feixen allmählich in die raue Stimme von Frank verwandelt. Das Kichern steigerte sich über Hohn und Spott zu kindlichen Schmährufen, mit denen Frank seine Gedanken malträtierte.
David rennt von einem Zimmer ins nächste. Frank folgt ihm wie ein grausamer Schatten.
»HÖR AUF«, brüllt David, stolpert, prallt mit der Schulter gegen den Türrahmen der Küche, rappelt sich auf und lässt sich auf einen der Stühle am Küchentisch fallen. Die Welt um ihn dreht sich und flimmert wie eine Straße in heißer Sonne.
»Womit soll ich aufhören, mein lieber David? Mit dir über Sam zu reden? Ich denke, du stehst auf die Schlampe.«
Wieder das Kichern, das David an das Lachen eines verrückten Clowns erinnert. Dann trällert eine helle Stimme: »Schlampe … Schlampe.«
»Was willst du?«
Davids Stimme sinkt zu einem Hauchen. Er schmeckt das Salz seiner Tränen auf den Lippen.
»Ich will, dass du an mich glaubst«, antwortet die Stimme ihm mit ernstem Ton. »Ich kann dir zeigen, wo Sam ist. Ich weiß, wo du sie findest.« Ein kindisches Kichern, wie das eines kleinen, bösen Jungen, der eine Katze quält. »Glaub mir eines, mein lieber David. Sam geht es gar nicht gut. Sie denkt an dich und wartet darauf, dass ihr Held in glänzender Rüstung und mit strammstehender Lanze kommt, sie zu befreien.«
Frank beginnt zu lachen. Prustend und ordinär, als befände er sich in einer feucht-fröhlichen Männerrunde in einer von Zigarettenrauch geschwängerten Kneipe. »Mit strammstehender Lanze, ist das nicht gut, David?«
Franks Lachen verwandelt sich in viehisches Grölen. David springt auf, stürmt aus der Küche und ins Wohnzimmer, wo er über einen Sessel stolpert und hart auf den Boden schlägt. Die Schmerzen in seinem Kopf explodieren.
»Sam geht es nicht gut und sie verzehrt sich nach deiner strammstehenden Lanze.«
Franks Worte steigern sich zu heiserem Johlen. David hat das Gefühl, dass etwas in seinen Kopf eingedrungen ist und sich dort rasend schnell fortbewegt.
»Was hast du mit ihr gemacht?«, presst er zwischen seinen Zähnen hervor. Speichel läuft ihm übers Kinn, sein Atem riecht, als hätte er faule Eier gegessen.
»Ich kann es dir zeigen, mein lieber David. Noch habe ich nichts mit ihr gemacht. Noch geht es der Schlampe gut. Oder sagen wir relativ gut .«
David ist sich der absurden Situation bewusst. Er liegt weinend auf dem Teppich, ein Bein auf der Lehne des Sessels liegend, und rauft sich die Haare, um eine Stimme aus seinem Kopf herauszureißen, die nur für ihn existiert. Trotz der Groteske, zu der sein Leben mutiert ist, und trotz der Scham, die er sich selbst gegenüber empfindet, antwortet er der Stimme in seinem Verstand: »Was … was muss ich tun?«
Tränen fließen über seine Wangen und hinterlassen helle Schlieren in seinem
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