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Die Saat der Bestie (German Edition)

Die Saat der Bestie (German Edition)

Titel: Die Saat der Bestie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Dissieux
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gebannt.
    Doch jetzt, da sie Bills blasses Gesicht verzerrt im Schein der Kerze auf dem verdreckten Boden liegen sieht, muss sie sich dem eisigen Grauen stellen, das ihr bewusst macht, welch ein Narr sie gewesen ist.
    Ihr Blick wechselt zwischen Bill und David.
    Bill …
    David …
    Bills dämliches Clownsgesicht hat sich in ein verbittertes Grinsen verwandelt. Die Höhlen seiner Augen starren ihr leer und tot entgegen.
    Etwas geschieht mit Sam. Mit der Kälte wird eine Stille geboren, die sie mit dem Schweigen der Welt eins werden lässt. Sie betrachtet das neu entstandene Bild mit einer erschreckend klaren Intensität, streicht mit den Händen darüber, spürt feine Risse und Unebenheiten, riecht den Gestank von Verrat und Selbstverachtung und fühlt die Aura des Bösen, welche das Bild umgibt.
    Ihr Blick heftet sich auf David. Sie hebt die Kerze, lässt flackernden Schein wie eine hauchdünne Decke über seinen Körper gleiten. Er sieht so rein und makellos wie ein Engel aus. Seine Haut scheint aus Alabaster geformt, selbst sein schlaffes Glied erinnert Sam im Kerzenlicht an ein abstraktes Kunstwerk. Und doch, trotz des scheinbaren Engels, den David vorgab zu sein, steigt kalter, lähmender Hass in ihr auf. Ihre Gedanken beginnen, sich zu verlangsamen und auf ein einziges Bild zu konzentrieren. Sie wird sich des Hammers in ihrer Hand bewusst, der Griff scheint sich wie eine Schlange in ihrer Handfläche zu winden, bereit, jederzeit zuzustoßen.
    Sam tritt einen Schritt näher. Die Schatten an den Wänden wachsen und beugen sich wie Geister über das Bett.
    Davids blasse Haut verwandelt sich in kränkliches Gelb. Der Gestank, der aus Wänden und Decke zu tropfen scheint, erfüllt Sams Mund wie etwas Lebendiges. Ein weiterer Schritt … Sie hebt den Hammer … Der Kerzenschein spiegelt sich schwarz in der stählernen Spitze wider.
    Ihr Fuß stößt gegen eine weitere leere Flasche, die klappernd gegen den Messingfuß des Bettes rollt. Das Geräusch zerfetzt die Stille des Zimmers wie das Brüllen eines Dämons.
    David nimmt den Arm vom Gesicht, fährt sich mit der Hand über die Augen und stößt ein schauriges Stöhnen aus. Seine Stimme klingt heiser. Er zieht die Beine an, richtet sich auf, indem er sich auf die Ellbogen stützt, und blinzelt, als er sich mit erschöpftem Gesicht im Raum umsieht. Dann entdeckt er Sam, und seine Augen weiten sich zu blutunterlaufenen Tellern, die das wächserne Gesicht durchlöchern.
    Für Sekunden starren sie sich an.
    Die alte Stille der Welt ist zurückgekehrt. Keiner von ihnen scheint zu atmen; selbst ihre Herzen haben aufgehört zu schlagen. Wieder gibt es nur David und Sam, wie schon am Pier, wie in jener einen Nacht, in der sich ihre Körper in hilflosem Verlangen vereint hatten.
    Dann spielt ein diabolisches Grinsen um Davids Mundwinkel. Die Teller seiner Augen verwandeln sich in zwei dunkle Halbmonde. »Hallo, Sam. Ich wusste doch, dass du nicht genug von mir bekommen kannst.«

    ***

    In Sams Verstand spielt sich ein Szenario ab, das so verlockend wie der Gesang von Sirenen ist. Sie sieht sich auf das Bett zugehen, hört trockenes Papier unter ihren Füßen rascheln und spürt den Morast menschlicher Fäkalien zwischen ihren bloßen Zehen. Der Gestank von Unrat, Alkohol und Schweiß bringt sie zum Würgen. Sie hustet, spuckt bittere Gallenflüssigkeit aus und hebt den Hammer hoch über ihren Kopf. Die Hand, in der sie die Kerze hält, zittert unkontrolliert und erweckt teuflische Trolle an Wänden und Decke zum Leben.
    David starrt sie mit einer Mischung aus Faszination, Gier und furchtsamer Erkenntnis an. Schweiß perlt auf seiner Stirn und zerstört die Erscheinung des Engels; plötzlich ist er nur noch ein verkommener Dämon.
    Sam hebt den Hammer noch höher, soweit es ihre geschundenen Arme zulassen, die Spitze nach vorn, nur einen Meter von David entfernt. Das perverse Parfum tierischen Gestankes hüllt sie wie ein zu enger Mantel ein. Dann fährt der Hammer nieder, in einer einzigen, fließenden Verbeugung, zerteilt elegant den stinkenden Mantel der Wirklichkeit. Der Hammer und Sam vollführen einen grazilen Tanz.
    Doch nichts davon geschieht …
    Sam starrt auf David, der sie lüstern angrinst. Seine Lippen sind rissig, die Zähne wirken wie gelbe Stümpfe.
    Sam sieht von oben auf sich herab. Die Sichtweise verleiht dem Grauen, das sie in dem Raum belauert, die harmlose Note eines billigen Filmes. Sie sieht sich selbst dastehen, erstarrt wie eine groteske Statue,

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