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Die Saat der Bestie (German Edition)

Die Saat der Bestie (German Edition)

Titel: Die Saat der Bestie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Dissieux
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in einer Hand eine flackernde Kerze, in der anderen einen Hammer, der ihr Sicherheit und Vertrauen schenken sollte. Vor ihr liegt David, der in diesem Augenblick wie ein zu groß geratenes Kind erscheint. Sein nackter Körper wirkt merkwürdig dünn, die Haut so klar wie Porzellan.
    Ehe Sam eingreifen kann, wendet sich die andere Sam ab und beginnt zu rennen. Das Kerzenlicht springt irrsinnig durch die Tür in den Flur hinaus, leckt zügellos über die Bilder an den Wänden und verschwindet schließlich am Treppenabsatz, als die andere Sam in wenigen Sätzen polternd das Erdgeschoss erreicht.
    Zurück in der Dunkelheit bleibt ein keuchender David, nackt, stinkend und mit schwarzen Fäkalflecken verdreckt. Sein ausgezehrter Leib erhebt sich kichernd und schwerfällig vom Bett, verliert das Gleichgewicht, schlägt mit bleichen Totenarmen durch die alkoholgetränkte Luft und landet fluchend und schreiend auf knisterndem Papier, stinkenden Wäschehaufen und einem schmierigen Brei seiner eigenen Ausscheidungen.
    Sam folgt ihrem anderen Ich, lässt David jaulend und kichernd auf dem Boden zurück. Sie erreicht Sam , als diese in die Nacht hinausrennt, vereint sich mit ihr und flieht in die tote Stadt.
    Das Heulen einer hungrigen Bestie verfolgt sie wie heißer Atem.

Lilly

    Der Vorhang hebt sich. Frank und ich – wir starren uns an, unsere Blicke in einer schreienden Symphonie des Wahnsinns vereint.
    Ich wärme mich am Fieber seiner Augen. Frank tut dasselbe. Gott, wie ich ihn liebe. Frank ist wie ich. Ich bin wie Frank. Wir sind eins, und wir sind auf der Jagd. Wir werden die tote Welt zum Schreien bringen, werden die Lieder von Chaos und Zerstörung singen, während wir über die Gräber unwürdiger Opfer tanzen.
    Frank und ich.
    Du bist mein Bruder.
    Die Jagd beginnt, das Fieber explodiert …

    ***

    Der Raum ist dunkel und riecht nach vermoderter Wäsche. Mittlerweile hat sich die Nacht über die Stadt gelegt und drückt sie noch etwas tiefer in die Schatten ihres eigenen Untergangs.
    Sam sitzt in einer Ecke und hat die Knie nahe an ihren Körper gezogen. Sie friert. Mit der Dunkelheit kriecht eine Kälte durch die Straßen, die sie daran erinnert, wie die Welt wirklich ist; tot, leer … und kalt.
    Durch ihren Kopf schwirren Erinnerungen wie die schillernden Fliegen in Davids Zimmer. Sam sieht Bilder aus ihrer Kindheit, die ihr stets lieb und teuer gewesen sind. Geburtstage, an denen sie wie eine Prinzessin im Mittelpunkt stand und jeder, der sie sah, ihr einen feuchten Kuss auf die Wange drücken musste. Sam – damals noch Sammy – hatte es gehasst. Doch heute würde sie ihr Leben dafür geben, noch einmal geküsst zu werden und die Haare zerzaust zu bekommen.
    Sie denkt an Tage in der Schule. Daran, wie sie sich mit Cindy Evans geprügelt hatte und beide zur Strafe den gesamten Schulhof säubern mussten, was den ganzen Nachmittag dauerte. Worüber sie sich gestritten hatten, weiß Sam nicht mehr, aber von jenem Tag an sind Cindy und sie die besten Freundinnen gewesen. Diese Freundschaft hatte bis in ihre Collegejahre Bestand und endete, als Cindy eines Tages ihren wahren Charakter offenbarte und Sam einen Jungen abspenstig machte, den diese sehr gemocht hatte. Mark Taylor ist sein Name gewesen, mehr weiß Sam heute nicht mehr über ihn.
    Mark erscheint wie ein Gespenst in ihren Gedanken. Sie kann sich daran erinnern, dass es den Jungen einmal gab und dass er ihr in einer lange zurückliegenden Zeit viel bedeutet hatte. Aber sie kann sich nicht mehr an sein Aussehen erinnern. Er ist nur noch ein Name und ein dazu gehörender Schatten.
    Es kommt ihr gerade so vor, als hätten mit dem Ende der Welt auch die Menschen in ihrem Leben ihre Gesichter verloren, als seien lediglich ihre blassen Geister zurückgeblieben.
    Sam versucht, sich an Mike zu erinnern. Es sind erst acht Monate vergangen, seit er aus ihrem Leben gerissen wurde. Eines Morgens wachte sie auf und er war fort – einfach so, wie all die anderen. Sam hat nie verstanden, was geschehen ist, und sie hat auch nie danach gefragt. Wen hätte sie auch fragen sollen? Einen Gott, den es allem Anschein nach nicht gibt? Die alte Frau im Spiegel? Sam hat nie wissen wollen, was mit der Welt geschehen ist. Sie wusste von Anfang an, dass es besser für sie war, nicht zu viel zu wissen. Acht verdammte Monate hat sie gut damit gelebt. Das Unwissen hat sie wahrscheinlich am Leben gehalten.
    Acht Monate …
    Sam schafft es nicht, sich an Mike zu erinnern. Die Tatsache

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