Die Saat der Bestie (German Edition)
Lebensmittel, Fäkalien und vergossenes Bier erinnert. Irgendetwas stimmt nicht. Die Räume liegen in einer bedrohlichen Stille, die Luft erscheint ihr wie ein Schleier, der sich über Wände und Decken gelegt hat.
Sam schleicht bis zur Kommode und hätte fast laut geschrien, als die Kerzen durch den Windstoß, den sie verursacht, zu flackern beginnen und grässliche Schatten über die Wände huschen.
Sie presst ihren Körper gegen die Wand neben der Tür, die ins Wohnzimmer führt, und lauscht. Dann beugt sie sich soweit zur Seite, dass sie den Raum überblicken kann. Die Hämmer werden eins mit ihren Händen. Sie sieht die Couch, auf der sie zusammen mit David gesessen hat, das Regal mit seinen und Darleens Lieblingsbüchern, die Urkunde an der Wand. Alles wirkt modelliert, wie in einem Museum, jeglichen Lebens beraubt.
Als ihr Blick auf die Musikanlage fällt, schnürt sich ihre Kehle enger zusammen. In Gedanken kann sie Neil Youngs traurige Stimme hören, melancholische Worte und schwermütiges Mundharmonikaspiel, das in diesem Augenblick nur für sie erklingt.
Die Erinnerung dauert nur wenige Sekunden, die aber ihr Herz zu zerreißen drohen. Dann wird es wieder still, und ihre Gedanken schwimmen in einem Meer aus dunklen Ahnungen und kalter Furcht.
Sie durchquert das Wohnzimmer, späht in die Küche, wo Davids Vorräte unordentlich auf dem Boden verstreut liegen. In der Mitte des Raumes kann sie das schwache Glänzen einer dunklen Pfütze erkennen. Der Gestank raubt ihr fast den Atem und erinnert sie an feuchte Tierställe.
In einer Ecke liegen Kleider auf einem Haufen. Sam erkennt Davids Hose, die er am Anlegesteg getragen hat. Jemand hat seine Notdurft darauf verrichtet. Der Anblick lähmt sie für einen kurzen Moment. Die Stärke und Entschlossenheit, die sie aus dem Kerker der Kirche fliehen ließen, geraten für einen fürchterlichen Augenblick ins Wanken. Doch dann klärt sich ihr Verstand wieder, und die Schärfe ihrer Sinne bringt die innere Ruhe zurück, die sie in Davids Haus geführt hat.
Sie geht durch das Wohnzimmer zum Flur zurück und bleibt neben den Kerzen stehen. Erneut erwachen Monster an Wänden und Decken zu gespenstischem Leben.
Die Treppe in den ersten Stock liegt in grauen Schatten. Sam ficht einen inneren Kampf mit sich, dann steckt sie einen der Hämmer in den Werkzeuggürtel zurück und greift mit der freien Hand nach einer Kerze. Sie lässt das flüssige, heiße Wachs auf das Holz der Kommode tropfen, um sich nicht die Finger zu verbrennen.
Am Fuß der Treppe liegt die Tür zu Davids Schlafzimmer. Sie steht offen und als Sam den Raum mit der Kerze erhellt, stellt sie ohne Überraschung fest, dass er leer ist. Davids Bett ist zerwühlt und Kleider, Bücher und Konservendosen bedecken den Boden wie ein scheußliches Gemälde.
Sie glaubt zu wissen, wo sie David finden wird. Eine schreckliche Ahnung drückt auf ihren Brustkorb und hindert sie am Atmen. Vorsichtig steigt sie die Treppe hinauf, wobei die Stufen leise unter ihren nackten Füßen knarren. Das Geräusch erinnert sie an das schläfrige Schnurren von Katzen.
Der Kerzenschein gleitet Stufe um Stufe nach oben und reißt den Flur der oberen Etage aus seinen finsteren Schatten. Immer wieder blickt sich Sam um, in der Gewissheit, dass ihr irgendetwas auf leisen Sohlen die Treppe hinauffolgen würde. Als sie den Absatz erreicht, hält sie die Kerze wie eine Fackel über ihren Kopf. Das Licht spiegelt sich silbergrau im Stahl des Hammers in ihrer Hand.
Ihr Blick fällt auf die Tür des Gästezimmers, in dem sie geschlafen hat. Eine feine, kaum vernehmliche Stimme flüstert ihr zu, dass sie David dort findet. Eine Stimme – penetrant und voller diabolischem Hohn.
Die Tür ist geschlossen. Sam beginnt, auf Zehenspitzen darauf zuzugehen. Sie wird an Träume aus ihrer Kindheit erinnert, in denen sie durch endlose Korridore gelaufen ist. Die darin befindlichen Türen hatten sich, egal wie schnell sie auch rannte, immer weiter entfernt und die Korridore sich wie ein endloser Schlauch durch ihre Träume gewunden und sie nicht selten schreiend und weinend erwachen lassen.
Die Erinnerung daran nimmt derart reale Züge an, dass sie sich kaum noch in der Lage sieht, ihre Hand auszustrecken und die Tür zu öffnen.
Ein feines Schnarren flüstert durch das Haus. Im selben Augenblick wird Sam von einer finsteren Wolke aus erhitzter Luft und faulem Gestank erfasst. Sie lehnt sich gegen den Türrahmen und hält die Kerze vor ihr
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