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Die Saat der Bestie (German Edition)

Die Saat der Bestie (German Edition)

Titel: Die Saat der Bestie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Dissieux
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forttragen lassen. Alles, nur weg von dieser Stadt. Weg von diesem Leben und weg von der kalten Furcht, die ihre Schritte lähmt und beginnt, sich in eine ausgewachsene Panik zu verwandeln.
    Sam tritt aus den Schatten einer Seitenstraße, wobei sie über die zersplitterten Trümmer von Möbeln klettern muss, die jemand aus dem Fenster geworfen hat. Auf einer zerfetzten Couch glaubt sie Blutspritzer zu sehen, dunkel, als hätte jemand in einem Anfall von Wahn Farbe verschüttet. Sie klettert darüber hinweg, ohne die Bilder zu beachten, die in ihrem Kopf entstehen.
    Sie geht bis zur Mitte der Kreuzung – wie sie es immer tut – und bleibt unter einer schwankenden Ampel stehen. Den Hammer noch immer in der Hand haltend, dreht sie sich einmal im Kreis, betrachtet die Umrisse der Häusertürme jenseits des Flusses, die nur noch schemenhaft zu erkennen sind, und erstarrt dann für einen kurzen Augenblick, als sie sich in die andere Richtung dreht. Sam kennt diese Straße. Hier war sie mit David. Hier hatte sie ihn mit ihrer Waffe bedroht.
    Sie starrt auf das schmutzige Schaufenster, in dem Lilly steht und blickt sich dann nach allen Seiten um.
    Ein kühler Wind ist aufgekommen und treibt Papier und Gras vor sich her. Das Rascheln klingt wie Schritte, die sich ihr aus den dunklen Gassen zwischen den Häusern nähern. Sam kann sich an ihre zweite Begegnung mit David erinnern. Diesmal stand sie hinter der Waffe, im Gegensatz zu ihrem ersten Zusammentreffen am Anlegesteg.
    Langsam geht sie auf das Schaufenster zu und blickt auf Lilly. Die Puppe trägt Jeans und eine weiße Bluse, deren oberste Knöpfe offen stehen und den Ansatz harter, gleichmäßiger Plastikbrüste zeigen. Als Sam sie das letzte Mal sah, trug Lilly ein ausgebleichtes Sommerkleid. Jetzt sieht sie ihr zum Verwechseln ähnlich.
    David war hier , denkt sie und kann ein Lächeln nicht verhindern. Und doch hat der Gedanke, dass David eine Schaufensterpuppe so angezogen hat wie sie selbst, etwas Beunruhigendes an sich.
    Lilly starrt sie durch den Schmutz des Schaufensters an. Sam überkommt das absurde Gefühl, dem leblosen Blick der Puppe standhalten zu müssen. Für einige bizarre Augenblicke glaubt sie, eine stumme Anklage in den wundervollen blauen Augen zu erkennen, als wären Lilly und sie Rivalinnen. Nur mit Mühe gelingt es ihr, sich von der Puppe loszureißen. Sie blickt die Straße hinauf und weiß plötzlich, wo sie David finden kann.
    Einen letzten Blick über die Schulter zu den Bürobauten am Fluss werfend, setzt sich Sam in Bewegung. Instinktiv nimmt sie den zweiten Hammer in die andere Hand. Wie immer, wenn sie durch eine stille, tote Stadt geht, benutzt sie den Mittelstreifen der Straße.
    Das Leben ist ein harter, oftmals unfairer Lehrmeister, doch es bringt einem Dinge bei, die zum Überleben notwendig sind.

    ***

    Davids Haus ist dunkel, die Fensterläden geschlossen. Sam spürt, wie sich eine klamme Faust auf ihre Kehle legt. Als sie vor einigen Tagen ging, hatte sie nicht damit gerechnet, das Haus jemals wiederzusehen. Damals wollte sie das Haus, David und die Stadt als wunderbare Erinnerung zurück behalten. Und jetzt hat sie tatsächlich das Gefühl, als würde sie zum ersten Mal seit Monaten nach Hause kommen.
    Das Gartentor steht offen, der verwilderte Garten liegt starr und dunkel in den Schatten des Hauses. Als Sam mit leisen Schritten die Stufen zur Haustür hinaufsteigt, scheint ihr Herz einige Schläge lang auszusetzen. Die Tür ist nur angelehnt, schwacher Lichtschein fällt kränklich auf die Veranda und verendet dort.
    Unwillkürlich nimmt Sam eine kauernde Haltung ein. Ihre Hände umfassen die Hämmer so fest, dass sich ihre Knöchel weiß verfärben.
    So, wie sie David kennengelernt hat und einschätzt, würde er die Haustür niemals offenstehen lassen. Vorsicht und mehrfache Kontrolle gehören zu den obersten Geboten in dieser toten Welt; ohne ist ein Überleben unmöglich. Die offene Tür kann nur bedeuten, dass sich Sams finsterste Gedanken, die sie bisher erfolgreich im Zaum halten konnte, bestätigen.
    Bill ist hier gewesen …
    Sie stößt die Tür mit dem Fuß nach innen und bewegt sich einen Schritt zur Seite, um einem möglichen Angriff ausweichen zu können. Das Licht stammt von einigen Kerzen, die auf einer niedrigen Kommode im Flur so aufgestellt sind, dass jeder Raum ein klein wenig erhellt wird.
    Das erste, was ihr auffällt, ist ein intensiver Gestank, der wie eine Wolke ins Freie dringt. Sam wird an verdorbene

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