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Die Saat der Bestie (German Edition)

Die Saat der Bestie (German Edition)

Titel: Die Saat der Bestie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Dissieux
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gleichzeitig sieht sie, wie der Schatten der Kreatur auf der Wand deutlicher und realer wird.
    Er kommt näher! Ihre Hand legt sich um den Griff eines der Hämmer. Sie kann die platschenden Schritte nackter Füße auf der Straße hören. Dann wirft sich der Schatten mit voller Wucht gegen das Schaufenster.
    Für Bruchteile von Sekunden vibrieren die bläulichen Lichtschatten an den Wänden und der Raum scheint seine Struktur zu verlieren. Sam schreit auf und presst sich mit den Rücken hart gegen die Wand. Im nächsten Moment hält sie den Atem an. Sie darf sich nicht verraten. Schweiß läuft ihr in die Augen und lässt sie blinzeln. Sie blickt zu Lilly. Der Meißel ragt wie ein bizarres Horn aus deren Stirn hervor. Nur wenige Zentimeter von dem bleichen Plastik der Puppe entfernt kann sie Bill erkennen, lediglich durch eine dünne Scheibe von ihr getrennt.
    Bill! Es ist Bill! Nicht David! David ist …
    Ehe Sam ihre Gedanken beenden kann, schlägt Bill mit den flachen Händen donnernd gegen die Scheibe. Ein wildes Knurren, das an Bluthunde erinnert, drängt das gleichmäßige Prasseln des Regens in den Hintergrund.
    In Gedanken stellt sich Sam vor, wie Bill seine geschändete Lilly betrachtet. Immer wieder donnern die Schläge durch den Raum, begleitet von Keifen und Jammern, zuletzt von traurigem Winseln.
    Dann verschwindet der Schemen vor dem Schaufenster plötzlich, zurück bleibt das fließende Gemälde des Regens an den Wänden. Im nächsten Augenblick wird die Nacht von einem markerschütternden Schrei zerrissen. Sam schließt die Augen, um den Lärm auszublenden. Dann hört sie mit Entsetzen, wie die Tür des Ladens geöffnet wird. Das Prasseln des Regens wird lauter und erinnert an das Rascheln des Papiers auf dem Boden von Davids Haus.
    Die Tür schwingt leise quietschend nach innen. Das schwarze Rechteck wird von einer noch schwärzeren Gestalt bedeckt, die für Sekunden jeglichen Schimmer im Raum löscht. Sams Hand umfasst den Latthammer mit grausamer Härte. Die Kreatur tritt einen Schritt über die Schwelle und verharrt dort. Sie schnüffelt und stößt dabei grunzende Laute aus, die nichts mit einem Menschen gemein haben.
    Sam starrt auf das nackte, graue Geschöpf, das mitten im Raum steht und langsam seinen Blick durch die Dunkelheit wandern lässt. Erst jetzt erkennt sie voller Zorn, dass das Geschöpf nicht völlig nackt ist. Es trägt Sams alte, geliebte und zerschlissene Lederjacke. Nur die Jacke, sonst nichts. Als letzte Verhöhnung.
    Nun ist das Wesen plötzlich wieder David. Die schmächtige Gestalt und die zerzausten Haare erinnern Sam an jenen Mann, dem sie sich in heißem Verlangen hingegeben hat.
    David wendet sich von ihr ab und tritt in die Auslage des Schaufensters. Eine Zeit lang betrachtet er die grausame Entweihung, die Sam der Puppe angetan hat. Dabei neigt er immer wieder den Kopf zur Seite, als könne er nicht verstehen, was er da sieht, schnüffelt und fährt mit zitternden Fingern die kalten Konturen Lillys nach.
    Sam beobachtet mit stiller Faszination das makabre Schauspiel. Ihr Magen ist eine Grube aus hartem Eis, ihre Kehle zugeschnürt. Tränen steigen ihr in die Augen, während ihr Blick wie gebannt auf Davids Rücken und die Lederjacke gerichtet ist.
    Sie weiß nicht, ob es Tränen uralter Furcht sind oder ob sie vom Verlust herrühren, den ihr David zugefügt hat. Ihr bleibt keine Zeit, intensiver darüber nachzudenken. Noch während ihre freie Hand die Tränen fortwischt, stößt David ein neuerliches Heulen aus, das von den Wänden des Raumes gierig aufgesogen und mit brachialer Gewalt zurückgeworfen wird.
    David stürzt sich auf Lilly, seine Hand krallt sich in die Perücke, die Sams Ebenbild perfektionieren sollte, während er mit der anderen Hand den Meißel aus der Stirn der Puppe zieht. Mit einer weitausholenden, affektierten Geste schleudert er das Werkzeug in eine dunkle Ecke des Ladens. Dann reißt er den Schraubendreher, der Lillys Schambereich gespalten hat, aus dem harten Plastikleib. Doch ehe er diesen ebenfalls voller Wut von sich werfen kann, hält er inne und betrachtet mit scheinbar stillem Entzücken, was er in Händen hält. Nach einigem Zögern greift er das Werkzeug wie eine Waffe und dreht sich langsam um sich selbst.
    Sam weiß, dass seine Augen versuchen, die Nacht zu zerteilen. Sie kann nur hoffen, dass er diesbezüglich immer noch mit menschlichen Schwächen versehen ist. Als sich ihre Blicke für wenige Momente treffen, überzieht sich ihr

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