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Die Saat der Erde Roman

Titel: Die Saat der Erde Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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schon sorgen!«
    »Nur zu, probieren Sie’s, Major, aber ich glaube, Sie werden feststellen, dass Sie bereits alle Hände voll zu tun haben …«
    In diesem Moment ertönte eine Explosion, ein lautes, widerhallendes Krachen ganz in der Nähe, das von den umliegenden Gebäuden allerdings gedämpft wurde. Einen schrecklichen Moment lang fürchtete er schon, das Imisil-Shuttle sei abgeschossen worden, doch Pjatkow hatte bereits sein Comm eingeschaltet und telefonierte aufgeregt. Als Theo den Blick senkte, sah er, dass der geheimnisvolle Anrufer die Verbindung unterbrochen hatte.
    »Das war das Zeppelin-Terminal am Gründerplatz«, sagte Pjatkow, das Comm immer noch am Ohr. »Beide Ankertürme wurden gesprengt und sind auf den Platz gestürzt …«
    Dann läuteten die Comms des Präsidenten und der Generalin. Kurz darauf war Pjatkow über den Vorfall im Bilde.

    »Es sind drei Sprengsätze detoniert, zwei auf den Türmen, einer in einem Abfallkorb am Eingang … Bislang keine Toten, aber zahlreiche Schwerverletzte … Die Einsatzkräfte sind vor Ort, und der Parlamentsmarschall hat bereits die Eingänge sperren lassen.«
    Sundstrom hatte regungslos gelauscht, mit zornig funkelnden Augen. »Der Abschaum nimmt sich jetzt weiche Ziele vor, um zu zeigen, dass er nicht nur die Hegemonie treffen will …«
    Dann läutete Theos Comm, und auf dem Display wurde der Empfang einer Sprachnachricht mitsamt der Nummer des Anrufers angezeigt.
    »Ich glaube, das ist er wieder«, sagte Theo, streckte sein Comm vor, damit alle mithören konnten, und drückte die Abspieltaste:
    »Wie gesagt, sie müssen lernen, dass sie keine uneingeschränkte Bewegungsfreiheit haben. Keine Sorge, ich erwische sie, jeden einzelnen Vertreter dieses Außenweltlerabschaums - das war soeben die zweite Lektion. Hoffentlich wird sie Ihnen allen eine Lehre sein.«

22 Chel
    Regen fiel aus dem Abendhimmel auf die dicht gedrängte, laternengesprenkelte Gebäudeansammlung von Tapiola herab, als Chel sich über einen steilen Pfad dem Waldrand näherte. Es wehte nur ein schwacher Wind, und das Regengeplätscher hüllte ihn ein im dunklen Tal, erfüllte die Ferne mit einem hohlen Murmeln, vor dessen Hintergrund sich das Getröpfel und Geplatter von den nahen Büschen weich und gedämpft anhörten. Der Boden federte unter seinen Füßen, und die Luft war kalt, feucht und duftete nach Laub.
    Vor vierzig Jahren, als die Tochterwälder Segranas im Erdreich der traurigen Umara gepflanzt worden waren, hatten die ältesten Lauscher die Menschensiedler gebeten, ihnen allen Namen zu geben. Nach reiflicher Überlegung hatten sich die Menschen entschieden, sie nach ihren großen Schriftstellern zu benennen, mit Ausnahme des nördlichsten Waldes, den sie Tapiola nannten. Dies war der Name eines mystischen Waldes aus einem alten Epos, dem Kalevala, das zu einer Zeit gedichtet worden war, als es noch keine Bücher und elektronischen Geräte gab, als Sänger und hingebungsvolle Hüter große Geschichten und Liederzyklen allein dem Gedächtnis anvertrauten.
    Und das tun wir auch heute noch, dachte Chel. Obwohl wir über eine Schriftsprache verfügen und es in Segrana kleine Archive gibt, führen wir die Tradition der mündlichen Überlieferung fort.

    Der trübe Lampenschein wurde allmählich heller, eine Kette verschwommener Lichter führte weiter in den Tapiolawald hinein, und dann trat ein groß gewachsener Lauscher im Kapuzengewand auf den Weg und erwartete ihn. Als Chel den Waldrand erreicht hatte, streckte der Lauscher die knochige Hand aus, mit der Handfläche nach oben.
    »Sag deinen Namen und nenne den Grund deines Besuchs.«
    »Ich bin der Gelehrte Cheluvahar von den Gütigen Uvovo«, antwortete er. »Ich bin gekommen, um mich vor der heiligen Segrana zu verpuppen.«
    »Du willst die Person aufgeben, die du bist?«
    »Das will ich.«
    »Bist du bereit, die Schale des Jetzt abzuwerfen und den Schleier des Zukünftigen anzulegen?«
    »Ich bin bereit.«
    »Dann tritt ein, Gelehrter Cheluvahar, und wisse, dass dies das letzte Mal ist, dass man dich bei diesem Namen nennt.«
    Chel verlagerte das Gewicht des Rucksacks auf der Schulter und trat aus dem Regen in die willkommene Düsternis Tapiolas hinein.
    Nur wenige Uvovo lebten in den Tochterwäldern: Gelehrte, Gärtner und Hirten wachten über die Pflanzen und Tiere. Hier aber waren Dutzende versammelt, in der Nähe von provisorischen Unterkünften aus Schlingpflanzen und Laubschichten, die im Lampenschein großen Kokons

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