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Die Saat der Finsternis (German Edition)

Die Saat der Finsternis (German Edition)

Titel: Die Saat der Finsternis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gernt
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Berührung reichte dennoch, um Lys umzuschubsen, sodass er gegen die Tunnelwand prallte. Langsam stand er auf, hob den Kopf, sein Gesichtsausdruck wirkte gefasst und er atmete nun ruhig. Auch, als der Drache eine Klaue hob und sie um Lys’ Brust schloss, eine der dolchlangen Krallen dabei erhoben, sodass sie ihn jederzeit durchbohren könnte, rührte er sich nicht. Kirian brüllte innerlich, er versuchte sich anzutreiben, irgendetwas zu tun, um den Blick der Kreatur auf sich zu lenken, fort von Lys. Er wollte nicht mitverfolgen müssen, wie der Drache ihn in Stücke zerriss ...
    Doch der Drache machte keine Anstalten, Lys zu töten, sondern schien ihn nur sehr genau zu mustern und verbreitete dabei unirdische Kälte und jene Art bedrohlicher Finsternis, die von ihm ausströmte wie fauler Gestank.
    Die Kralle fuhr über Lys’ Mantel, arbeitete sich mit unvorstellbarer Präzision durch die Stoffschichten, ohne irgendetwas zu zerstören. Ganz so, als würde er etwas suchen, das offenbar fehlte. Die Klaue löste sich und gab Lys frei. Er blieb stehen, als wäre er versteinert worden.
    Nach einem langen Moment, der ein ganzes Zeitalter zu währen schien, schnaubte der Drache und wandte sich Kirian zu. Wieder verwischte alles vor seinen Augen, als die Kreatur sich bewegte, viel schneller, als es einer solch massigen Gestalt möglich sein sollte. Er sah das Maul vor sich, das länger als sein eigener gesamter Körper war. Die langen spitzen Reißzähne, die geschlitzten Nüstern, die sich ruhelos blähten, als würde der Drache versuchen, sich an einen Geruch zu erinnern, der ihm in die Nase stieg und vertraut war. Wachsame Augen betrachteten ihn, durchbrachen seine Barrieren. Kirian spürte kalte, völlig andersartige Gedanken, die sich in sein Bewusstsein drängten. Der nur allzu vertraute Schmerz marterte seinen Kopf, doch Kirian konnte sich weder bewegen noch schreien. Erinnerungen, Stimmen und Bilder flammten auf und verschwanden, zu rasch, als dass er irgendetwas davon hätte erfassen können. Zweifellos galt dies nicht für den Drachen. Er fühlte sich nackt, entblößt, gedemütigt von dem Gedanken, dass diese Kreatur nun womöglich alles über ihn wusste, auch das, was man ihm genommen hatte. Die Raubtieraugen gaben ihn nicht frei. Verzweiflung breitete sich in ihm aus wie eine schwarze Flut, die von keinem Damm zurückgehalten wurde.
    Da spürte er plötzlich eine Bewegung an seiner Seite, zugleich schrie Lys auf:
    „Marjis, nein!“
    Kirian fuhr zusammen, als der Drache sich ruckartig abwandte. Mit weit aufgerissenen Augen beobachtete er, wie Marjis mit scheuen Bewegungen vortrat, unmittelbar vor der Kreatur stehen blieb und die Hand ausstreckte. Diese senkte den Kopf und hielt still, als das Mädchen sacht über die schwarzen Schuppen strich. Marjis lächelte und berührte mit dem Zeigefinger das längste der drei Hörner, die direkt hinter der Stirn ansetzten.
    „Marjis, geh weg!“, flüsterte Kirian entsetzt. Sie schien ihn nicht zu hören, sondern streichelte weiter über den Kopf der so fremdartigen Kreatur, als wäre sie nichts als ein übergroßer Hund.
    Der Drache grollte, packte Marjis, die vollständig in der Klaue verschwand, und schnappte sich mit der anderen Vorderpranke die beiden Männer. Kirian bekam keine Luft mehr, als er gegen Lys gedrückt wurde. Er hörte seinen Geliebten schreien. Dann wurde er endgültig von der Dunkelheit verschluckt.

13.
     
    Kirian schlug die Augen auf. Er wusste, dass irgendetwas nicht so war, wie es sein sollte, konnte dieses Etwas aber nicht fassen.
    Warum bin ich nicht tot?, dachte er. Dieser Gedanke brachte die Erinnerung an den Drachen zurück und er fuhr hoch. Von dem Dreigehörnten war nichts zu sehen. Er befand sich in einer Höhle, schwaches Tageslicht sickerte durch die Eingangsöffnung. Neben ihm lag Lys, der Marjis im Arm hielt. Beide schliefen ruhig, offenkundig unverletzt. Lys’ Kopf lag auf einem der Reisebündel, das andere hatte Kirian als Kissen gedient. Ganz so, als wären sie fürsorglich auf den Boden gebettet worden …
    Verwirrt suchte er nach einem Hinweis, was geschehen sein mochte, nachdem der Drache sie gepackt hatte. Doch die Höhle war leer, abgesehen von einem Stapel Fackeln in einer Ecke. Hinter ihnen entdeckte er eine Öffnung, die vermutlich in den Tunnel führte.
    Oder hab ich geträumt?
    Kirian stand mühsam auf. Seine Beine waren beinahe zu schwach, um ihn zu tragen; es war, als würde sich nun alles rächen – der

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