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Die Saat der Finsternis (German Edition)

Die Saat der Finsternis (German Edition)

Titel: Die Saat der Finsternis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gernt
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nach, bevor sie ihr widerstrebend folgte.
    Nayamé hoffte, dass der Schrei sich wiederholen würde, doch es blieb still. Nach einer guten Viertelstunde anstrengender Kletterei schwankte sie, ob sie umkehren sollte. Es war nicht anzunehmen, dass ein Raubtier seine Beute auf diesem Bergpfad schlagen und dann auch noch hier liegen lassen würde … Aber sie war sich absolut sicher, dass dieser Schrei von einem Menschen ausgestoßen worden war.
    „Mutter, wir werden im Tempel erwartet“, murrte Arva bereits zum dritten Mal.
    „Ich muss sicher gehen, dass …“ Nayamé brach ab, als sie der Kehre folgte, die der Weg hier beschrieb und auf ein Knäuel verdrehter menschlicher Gliedmaßen blickte. Erst als sie näher kam, erkannte sie, dass hier die Körper von zwei niedergestreckten Männern und eines Kleinkinds lagen. Sie drehte das Kind zu sich um, als sie neben ihnen niederkniete, und lächelte erleichtert.
    „Das Mädchen hier ist halb verhungert und sehr geschwächt, aber es lebt.“
    „Die beiden hier ebenfalls“, beschied Arva und mühte sich, den großen, athletisch gebauten Mann zu bewegen, der zuoberst lag. „Auch, wenn dieser hier eine merkwürdige Aura besitzt und der Jüngere dem Tod sehr nahe scheint.“
    Nayamé erstarrte, als sie das Gesicht des jungen Mannes erkannte, der zuunterst gelegen hatte.
    „Heilige Mutter!“ Sie schaute fassungslos zwischen den beiden Männern hin und her. Dann riss sie sich mühsam zusammen und klopfte Arva auf den Arm.
    „Lauf! Lauf zum Tempel und sag Onjerro, dass unsere Hoffnung sich erfüllt hat.“ Sie schüttelte ungeduldig den Kopf, als sie Arvas fragenden Blick bemerkte. „Nun lauf!“
    Als das Mädchen außer Hörweite war, gestattete sich Nayamé ein triumphierendes Lächeln.
    „Nun habt Ihr es also tatsächlich geschafft, Fürst Lyskir von Corlin, Herrscher der gefallenen Weidenburg, und konntet Euren Geliebten zurückholen. Onur braucht Euch, und Stefár von Lichterfels ist eine entscheidende Größe in diesem Spiel …“ Sie entdeckte das Brandmal an Lys’ Arm und schnalzte missbilligend. „Der Preis war also noch höher als befürchtet?“ Nayamé dachte kurz nach, als sie über das „K“ strich. „Somit ist der Layn also tatsächlich auf das Spielfeld getreten. Sehr gut.“
    Während sie den drei Bewusstlosen nacheinander behutsam Wasser einflößte, in das sie zuvor einige Tropfen einer Flüssigkeit aus einer Phiole gemischt hatte, ging sie im Kopf bereits alle denkbaren Folgen dieser neuen Entwicklungen durch.
    „Sehr gut …“, murmelte sie dabei unentwegt.

*
     
    „Sei leise, du weckst ihn.“
    Lys hörte eine Stimme, die er kannte, oder zumindest glaubte er, sie schon einmal irgendwann gehört zu haben.
    Er dachte darüber nach, während er sich zu orientieren versuchte, wo er sich befand, so gut es mit geschlossenen Augen möglich war – es mochte nützlich sein, wenn man noch ein bisschen länger dachte, er würde schlafen.
    Das Bett, in dem er lag, war angenehm warm und weich. Er roch Kräuter, frisch gewaschene Wäsche und den schwachen Rauch eines Kaminfeuers. Er hörte mindestens zwei Personen, die sich durch den Raum bewegten. Nichts davon verriet ihm, ob er in Gefahr war oder nicht. Vorsichtig wagte er es zu blinzeln.
    „Ah, einen guten Morgen wünsche ich“, hörte er die Stimme des Mannes, der bereits eben gesprochen hatte. Jemand setzte sich neben ihn auf das Bett, während die zweite Person den Raum verließ. Lys wandte den Kopf und erblickte einen Priester.
    „Lark?“, fragte er mühsam. Seine Stimme gehorchte kaum.
    „Bleibt liegen, junger Herr, Ihr braucht noch Ruhe.“
    Doch nun erinnerte sich Lys an alles, was vor seiner Ohnmacht geschehen war und fuhr hoch.
    „Kirian? Wo ist … und Marjis?“, stammelte er besorgt und war schon halb auf dem Weg, sich aus dem Bett zu schwingen.
    „Bleibt liegen!“, befahl Lark energischer und hielt ihn fest. „Euer Gefährte ist wohlauf, und falls Ihr mit Marjis das Kind meint, das Ihr bei Euch hattet, könnt Ihr auch hier beruhigt sein.“
    Lys versuchte sich gegen ihn zu stemmen, war jedoch nicht stark genug und sank schließlich atemlos zurück in die Kissen.
    „Ich bin wieder im Tempel“, begann er, um die Lage logisch zu erfassen.
    „Ihr hattet Glück, es war reiner Zufall, dass man euch drei gefunden hat. Wenige Stunden später wäret ihr erfroren, an Schwäche gestorben oder von einem Raubtier angefallen worden. Die Bergkatzen dort oben sind gerade im Winter

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